64. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1946/47

11 uns, die nach Betätigung drängt. Die vielen, die während der Kriegs¬ jahre in der deutschen Industrie tätig waren, werden es bestätigen können, daß wir dort den deutschen Technikern gegenüber an beruf¬ lichem Können keineswegs unterlegen, ja in vielen Fällen infolge der uns eigenen größeren Tiefe und Gründlichkeit in der Arbeit sogar aus¬ gesprochen überlegen waren; allerdings stand hinter den deutschen Tech¬ nikern ein seit Jahrzehnten in breitesten Volksschichten verwurzeltes Verständnis für die Bedeutung der Technik und eine dementsprechende Großzügigkeit in der technischen Planung, wie wir sie leider in unserem Lande nicht in diesem Maße vorfinden. Aber technische Begabung ist bei uns vorhanden und es würde eine geistige Verarmung und eine emp¬ findliche Störung der harmonischen geistigen Entwicklung unseres Volkes bedeuten, wenn sie mangels einer genügenden Entfaltung unserer Tech¬ nik verkümmern müßte. Es ginge damit ein wertvolles Element unseres Volksbewußtseins und Volksselbstbewußtseins verloren: beides kann nicht durch vorwiegendes Schöpfen aus der Tradition einer großen Ver¬ gangenheit genährt werden. Je mehr jemand seine Heimat wirklich liebt, desto mehr wird es ihn drängen, mit seiner Begabung und seinem Können an der Größe ihrer Leistung teilzuhaben. Ist ihm dies verwehrt, so muß notwendigerweise aus der ursprünglichen Heimatliebe Verbitte¬ rung und Resignation, wenn nicht Schlimmeres, werden. Man muß das Problem der Technik in unserem Lande auch und vielleicht vor allem von diesem volkspsychologischen Standpunkt aus sehen, eine Sache, die den Lehrer eines naturwissenschaftlichen Faches sehr angeht! Gewiß, wir haben noch andere geistige Aktiva; aber künstlerische Begabung kann Befriedigung im Schaffen nur sehr wenigen Auserwählten geben; und verfeinerter Sinn für das Schöne in weiteren Volkskreisen ist wohl ein verbindendes Element, das gepflegt werden soll und muß, kann aber doch niemals das Gefühl ersetzen, selbst mit eigener Leistung an einer Leistung der Heimat mitzuwirken, die ihr Achtung und Anerkennung verschafft oder zumindest ersolgreich mithilft, ihren Bestand zu sichern. Wir brauchen also eine österreichische Technik, wir brauchen sie für unsere Arbeiter, wir brauchen sie für unsere Techniker und wir brauchen sie um unserer Selbstachtung willen als Volk unter anderen Völkern! Und gerade weil die Existenzbedingungen für unsere Technik in naher Zukunft nicht sehr günstig sein werden, muß für eine ganz be¬ sonders gute Vorbildung der künftigen Techniker gesorgt werden. Das kann nicht ausschließlich Aufgabe der Fachschulen sein. Mit der Aus¬ bildung von Fachkräften, die auf dem Boden bestehender Methoden, die sie erlernt haben, ihren Beruf gut ausüben können, sichern wir nur einen augenblicklichen Stand. Im Wettbewerb mit anderen Völkern, die in der Entwicklung durch schöpferische Arbeit stürmisch fortschreiten, müßten wir damit in kürzester Zeit ins Hintertreffen kommen und so unsere Arbeit sterilisieren. Wir brauchen, wenn wir bestehen wollen, auch Kräfte, die in gleichwertiger Forschungsarbeit und schöpferischer technischer Gestal¬ tungsarbeit an diesem Wettbewerb teilnehmen und unsere Betriebe den stets neuen Anforderungen gewachsen halten können — und eine öffent¬ 2

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