63. Jahresbericht des Staats-Realgymnasiums Steyr 1945/46

Aus der Schulchronik. Die Uebergangsmonate. Samstag, 27. Jänner 1945, war der letzte Schultag der Oberschule Steyr vor dem Zusammenbruch. An diesem Tag wurde über behördliche Weisung der Unterricht an der Oberschule eingestellt. Das Schulgebäude wurde von da an zur Unterbringung von Flücht¬ lingen und für Zwecke des Volkssturms verwendet. Die Mitglieder des Lehrkörpers, die nicht zum Militärdienst oder zum Volkssturm eingezogen worden waren, übernahmen die Betreuung der Flücht¬ linge und den Luftschutzdienst. Auch die Schülerschaft wurde in denkbar größtem Ausmaß zur Einsatzleistung herangezogen. Schon in den ersten Tagen des Februar füllte sich das Gebäude mit Flüchtlingen, die fast durchwegs aus Schlesien stammten. Bei der Betreuung der Flüchtlinge wurde auf größte Reinlichkeit geachtet und auf rechtzeitige Verpflegung Gewicht gelegt. Dank dieser Ma߬ nahmen war der Gesundheitszustand dieser Opfer des Krieges zufriedenstellend. Als große Wohltat wurde es empfunden, daß sich neben der Schule ein geräumiger Luftschutzstollen befand und daß Gebäude selbst über einen guten Hauskeller verfügte. das Von März an waren einige Räume vom Volkssturm belegt und ein paar Zimmer wurden als Magazine für Waffen und Ausrüstungsgegenstände verwendet. Als in der zweiten Hälfte des April die Front immer näher rückte, wurde das Schulgebäude von den Flüchtlingen geräumt, um als Durchgangslager zu dienen. Diese Verwendung dauerte bis zum Einmarsch amerikanischer Truppen am 5. Mai. Nach der Besetzung Steyrs wurde das leere Gebäude wiederum zu Unterkunftszwecken verwendet. In diesen Tagen wurde durch sinnlose Plünderungen namhafter Schaden verursacht. Ein großer Teil der Schulbänke wurde zerstört und viele Lehrmittel wurden entwendet. Es wurden so gut wie alle geographischen und historischen Karten zerrissen, die physikalischen Apparate unbrauchbar gemacht, vieles von der naturhistorischen Sammlung vernichtet, Unterrichts¬ filme, Bücher, Schreibmaschinen, Glühlampen, Turngeräte u. s. w. fortgeschleppt. Glücklicherweise gelang es nach kurzer Zeit, das Gebäude für den Unterricht freizubekommen. Vom verschleppten oder entwendeten Schuleigentum konnte nur ein Teil zustande gebracht werden. Neuordnung des Schulwesens im neuen Oesterreich. Nach dem Zusammenbruch wurde sofort darangegangen, in Anknüpfung an die österreichische Tradition eine neue Schul¬ organisation aufzubauen. Landesschulinspektor wurde Dr. Ernst

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