47. Jahresbericht der k. k. Staats-Oberrealschule in Steyr, 1917

Kaiser Franz Josef I. Düstere Totenklage und tiefstes Weh erfüllte unser ganzes Vaterland bei der erschütternden Trauerbotschaft: Seine k. u. k. Apostolische Majestät Franz Josef l. ist an 21. November 1916 um 9 Uhr abends im Schlosse zu Schönbrunn sanft im dem entschlafen. Herrn Auf feinem Lieblingssitze, wo seine Wiege gestanden, wo er die ersten Jahre der Kindheit verlebt und die letzten des Alters verbracht, ist der greise Monarch aus dem Leben geschieden Mitten in den gewaltigsten Stürmen des tobenden Weltkrieges ist der große Friedensfürst vom Throne abberufen worden. Mit dem hohen Verewigten hat unser Kaiserhaus sein ehrwürdiges Oberhaupt, haben die Völker der Monarchie ihren glorreichen und güligen Herrscher verloren. Den Bürgern des Reiches war der Verstorbene aber noch mehr als der weise Lenker ihrer Geschicke, mehr als der segnende Vater des Vaterlandes gewesen In der Menschheitsgeschichte findet sich kaum ein Herrscherwalten von so langer Dauer, so überreichem Inhalte, so gewaltigen Schicksalswandlungen. Im Sturmjahre 1848 als 18jähriger Jüngling auf den Thron berufen, hat Kaiser Franz Josef wie kein Habsburger vor ihm den Großstaat durch 68 Jahre kraftvoll gelenkt und in dem größten und blutigsten aller Kriege ist der friedliebende Herrscher im 87. Lebensjahre aus der Welt gegangen. Der Monaich galt als die persönliche Verkörperung von Thron und Reich, er war schon bei Lebzeiten zu einer geschichtlichen Gestalt emporgewachsen, er war zum Schöpfer eines neuen Staates geworden. Aus seinem persönlichen Willen heraus hat der Kaiser seinen Bölkern die Verfassung gegeben, unter ihm ist der gewaltige Ausbau der vaterländischen Wehrmacht zum neuzeitlichen Volksheer erfolgt, unter ihm ist die Volkswirtschaft zu einer Entwicklung gelangt wie nie zuvor. Getreu der Überlieferung seines Erzhaufes war Kaiser Franz Jose auch der Wissenschaft und Kunst allezeit ein mächtiger Förderer, warmer Freund und Gönner gewesen. Der öffentliche Unterricht in allen seinen Zweigen war eine Herzenssache des Monarchen, das gesamte Schulwesen in Österreich von der untersten bis zur obersten Stufe hat unter seiner Regierung durchgreifende Umgestaltung erfahren, zahlreiche neuartige Schulen wurden errichtet, bestehende erweitert und vervollkommnet. Die vielen prächtigen Bauten, die in allen Reichsteilen den Schulen, der Wissenschaft und Kunft als Heimstätte erschlossen wurden, sie sind dauernde Denkmäler der bildungs= und kunstfreundlicher Gesinnung des verewigten Kaisers Aber nicht bloß sein segensreiches Herrscherwalten hat ihm die Herzen seiner Österreicher zugewandt, sondern namentlich auch der hehre Charakter seiner Persönlichkeit. Die ungesuchte Majestät seines Wesens, seine einzig dastehende vorbildliche Pflichttreu mit der rast= und restlosen Hingabe an die schweren Aufgaben seines hohen Amtes, seine beglückende Herzensgüte und bezwingende Freundlichkeit, seine Seelengröße, Standhaftig¬ keit und Ergebung in den schwersten Prüfungen des Lebens haben stets Bewunderung erregt. In jeder Lebenslage bewährte sich der Kaiser als gerade, aufrechte Natur fromm und bieder, wahr und offen — ein leuchtendes Beispiel menschlicher und fürstlicher Tugend: Der Mensch war in ihm so groß wie der Herrscher. Die Vorsehung hat uns Kaiser Franz Josef bis in die hohen Patriarchenjahre erhalten. Es sollte ihm aber nicht beschieden sein, die Sonne des Friedens wieder leuchte zu sehen. Aber er sah noch den Heldenkampf seiner Völker, er sah die alten Fahner Habsburgs siegreich im Kampfgetümmel wehen und sein brechendes Auge sah die Mor genröte einer neuen Zukunft Österreichs In seinem Testamente spricht der lote Kaiser ein letztesmal zu seinem Volke mit den Worten „Meinen geliebten Völkern sage Ich vollen Dank für die treue Liebe, welche sie Mir und Meinem Hause in glücklichen Tagen, wie in bedrängten Zeiten betätigten. Das Bewußtsein dieser Anhänglichkeit tat Meinem Herzen wohl und stärkte Mich in der Er füllung schwerer Regentenpflichten. Mögen sie dieselben patriotischen Gesinnungen Meinen Nachfolger bewahren“ Diese rührenden Abschiedsworte des heimgegangenen Monarchen wollen wir als heiliges Vermächtnis ehrerbietig bewahren für immerdar

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