42. Jahresbericht der k. k. Staats-Oberrealschule in Steyr, 1912

Warnung zu beherzigen, dieser läßt sich jedoch nicht umstimmen. Die Versammlung ist zu Ende, nur einige argivische Jünglinge stehen abseits und verabreden eine nächtliche Zusammenkunft. In einem Monolog zeigt sich Ion noch unentschlossen, ob er sich in das Walten des Schicksals einmischen solle oder nicht. III. Akt. Clemanthe trifft Ion im Hain und glaubt seine Pläne zu erraten. Nachdem sie sich getrennt, folgt sie ihrem Verlobten ohne sein Wissen. Phocion und mehrere argivische Jünglinge, denen Ion sich anschließt, schwören einander, den König zu ermorden. Das Los fällt auf Ion, doch falls dieser sein Ziel verfehle, soll Phocion an seine Stelle treten. Nun erkennt sie an seiner Erregung sowie an dem Dolch, den er vor ihr verbergen wollte, mit Gewißheit sein schreckliches Vorhaben, den König umzubringen. Unterdessen hat Medon eine Schriftrolle erhalten, die ihm Irus von einem Verwandten des jungen Slaven überbracht hat: dieser sei nach lang jähriger Abwesenheit in seine Heimat gekommen, doch schon am Tage der Rückkehr von der Pest ergriffen worden; sein letzter Wunsch sei es gewesen, daß Irus die Papyrusrolle Medon überbringe. Ihr Inhalt besagt, daß der nun mit dem Tode Ringende zugleich mit einem andern vom Vater des herrschenden Königs gedungen worden war, Adrastus Sohn zu ermorden; sie hätten ihn seiner Mutter entrissen und seien entflohen, doch bei einer abschüssigen Stelle an der Küste sei sein Gefährte ausgeglitten und im Meere ertrunken. Von Mitleid ergriffen, beschloß er, den grausamen Auftrag nicht auszuführen, sondern legte den Knaben in der Nähe des Apollotempels nieder und sah, wie der Priester das Kind aufhob. Aus Furcht vor Entdeckung war er in fremdes Land gegangen und jetzt nur zurückgekehrt, um in der Heimat zu sterben. Clemanthe erschrickt bei diesem Bericht: denn sie erinnert sich, daß vielleicht zur selben Zeit Ion Vatermord begeht. Medon hofft indeß noch, Ion an dem Verbrechen zu hindern: durch einen verborgenen Gang eilt er zum König. IV. Akt. Adrastus schläft. Ion erscheint, das Messer in der Hand. Er zögert, den Schicksalsspruch an dem Schlafenden zu vollstrecken: Adrastus soll das Urteil der höheren Mächte (the judgment of Supernal Powers") vernehmen und dann sterben. Von Ion geweckt, warnt der König diesen, eine Tat des Undanks zu begehen; denn eben noch habe er ihn begnadigt. Ion beruft sich nochmals auf seine göttliche Sendung, aber schließlich übermannt ihn das Mitleid mit dem freund- und kinderlos dastehenden König. Da erklärt dieser, daß er in Ion den Bevollmächtigten Jupiters erkenne und kniend will er den Todesstoß empfangen; Ion zückt das Messer, als Medon hereinstürmt mit dem Ruf: „Halt ein, Ion! Sieh deinen Sohn, Adrastus!“ Indeß sind die übrigen Verschwörer über das lange Verweilen Ions unruhig geworden und dringen in den Palast. Bald stürzt Ctesiphon, der übrigens nur von dem Wunsche beseelt war, seinen Vater zu rächen, mit blutigem Dolch aus dem Gemach; zugleich hat er seinen Schwur erfüllt. Tötlich verwundet, tritt Adrastus auf, von Ion gestützt, ordnet die Freilassung seines Mörders an und stirbt, nachdem Ion feierlich gelobt hat, den Thron seiner Väter zu besteigen. Ion sieht das Messer am Boden liegen, das ihm bei Medons Botschaft entfallen war, und plötzlich dämmert die wahre Bedeutung des Schicksalsspruches in ihm auf, den er nun wahr zu machen beschließt. Phocion vernimmt aus Ctesiphons Mund, was geschehen ist, und daß Ion Argos nunmehriger Herrscher ist. Phocion kann es jedoch nicht fassen, daß sein Jugend¬ freund den Thron des Tyrannen besteigen will. Da erinnert ihn Ctesiphon an den Eid, demzufolge Ion den König und dessen Nachkommen töten sollte. In Phocions zustimmender Antwort kommt wieder der leitende Gedanke des Stückes zum Ausdruck: „Das Schicksal drängt, „Fate commands, Ich lebe nur, um sein Gebot zu üben.“ And I live now but to perform her bidding. Auch die folgende (3) Szene nimmt deutlich auf das Orakel Bezug. Ion erkundigt sich bei Agenor, ob im Befinden der Pestkranken noch keine Besserung zu erkennen sei. Auf die verneinende Antwort des Weisen wünscht Ion schon am

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