42. Jahresbericht der k. k. Staats-Oberrealschule in Steyr, 1912

— 30 Während noch die Einleitung im Gang ist, beginnt mit dem Augenblick, Padilla den Bevollmächtigten Adrians aus dem Hause weist, die dramatische Er¬ regung; man weiß, der Held ist nun entschlossen, dem Uebermut des Regenten ent¬ gegenzutreten, auch wird auf den Gegensatz zwischen den Anschauungen Padillas und seiner Gattin hingewiesen. Der zweite Akt erhält durch das Gegenspiel sein Gepräge. Dieser sowie der folgende Akt sind der Schürzung des Knotens gewidmet, der Gipfelpunkt liegt in der Krönungsszene des dritten Aktes, wo Padilla sich dem Ziel seiner Wünsche nahe glaubt. Die notwendigen Steigerungsstufen sind in den langatmigen Verhandlungs- und Versammlungsszenen, mit denen die beiden Akte aus¬ gefüllt sind, nur spärlich zu finden, sie finden ebenfalls in Girons Ränken und Padillas ablehnender Haltung gegenüber der offenen Empörung ihren Ausdruck. Dagegen haben die dritte und vierte Szene (mit Ausnahme des Szenenschlusses), in denen Königin Joanna vorgeführt wird, einen rein exponierenden Charakter; denn hier erfahren wir ein langes Stück der Vorgeschichte, wir erfahren, welche Taten Padillas Ruhm und Ansehn bei Königin und Volk begründeten. Die Wandlung zu Beginn des vierten Aktes ist wirksam hervorgehoben, da sie sich ohne Zwischenszene direkt an den Gipfel anschließt: infolge Joannas neuerlicher Erkrankung und Girons selbstsüchtiger Handlungsweise werden Padillas Aussichten auf eine glückliche Beendigung des Aufstandes zunichte. Im Gegensatz zum steigen¬ den Teil der Handlung, der wenig eindrucksreich war, ist es dem Dichter in der Wandlung besser gelungen, gewisse Steigerungen hervorzurufen; hierher gehören: Padillas Entschluß, nach Girons Fall sich noch einmal der Sache der Aufständischen zu widmen, sowie der Entschluß Marias, die Söldner mit geraubtem Kirchengut zu bezahlen, in der ersten Szene des fünften Aktes das Geständnis Marias, nach welchem auch er sich schuldig fühlt und an sich selbst irre wird, endlich der Bericht über den unglücklichen Entscheidungskampf. Dadurch, daß die Wandlung wesentlich mehr Steigerungen aufweist als die Schürzung, wird die dramatische Gesamtwirkung erheb¬ lich geschwächt. Von den Tragödien Talfourds haben „Ion“ und „Der athenische Gefangene antiikisierenden Charakter, außerdem stehen sie, wie sein drittes Trauerspiel: „Das Verhängnis der Macdonalds mehr oder weniger in gewisser Beziehung zur Schauerromantik. Während „Ion“ sich durch einen guten Aufbau auszeichnet und seine Hauptschwäche in der Verwendung der Schicksalsidee liegt, zeigt „Der athenische Gefangene Mängel in der Motivierung einzelner Charaktere, auch ist hier die Einwirkung der Schauerromantik am deutlichsten erkennbar, dafür tritt in diesem Drama die Schicksalsidee am wenigsten hervor. „Das Verhängnis der Macdonalds“ ist, wenn wir von der Verwendung der Schicksalsidee und der daraus folgenden fehlerhaften Lösung absehen, eine im Ganzen gelungene Dramatisierung des 58. Kapitels von Walter Scotts „Tales of a Grandfather; zu den Vorzügen einer guten Exposition und mehrfacher Steigerungen gesellt sich die treffliche Milieuschilderung. Mit Rücksicht auf die gelungene Charakteristik, das Gelingen einzelner Teile des Aufbaus und die hochpoetische Diktion darf „Der Kastilianer“ als anerkennenswerte Leistung auf dem Gebiete des Buchdramas bezeichnet werden. Literatur. Allibone: Dictionary of English Literature. — Asher: Englands Dichter und Prosaisten der Neuzeit. Berlin 1853. — Bleibtreu : Geschichte der englischen Literatur im Zeitalter der Renaissance und Klassizität. Leipzig 1887. — Chambers : Cyclopaedia of English Literature. Edingburgh. II. 521. — Euripides ausge¬ wählte Dramen. Übersetzt von Jakob Mähly. Leipzig. — Körting Gustav Grundriß der Geschichte der englischen Literatur. 4. Aufl. Münster 1905. — Kühles: Abhandlung über den „Ion“ im Programm der Studienanstalt zu Münnerstadt 1873. (Enthält nur eine Inhaltsangabe und die metrische Übersetzung einiger Stellen.) — Minor Jakob Die Schicksaltragödie in ihren Hauptvertretern. Frankfurt 1883. — Oncken Wilh.: Schlag Allgemeine Geschichte in Einzeldarstellungen. Berlin 1879-1892. III. Abtl., 1. B., p. 320. Hermann: Das Drama. Wesen, Theorie und Technik des Dramas. Essen 1909. — Stephen Leslie and Lee Sidney: Dictionary of National Biography. London 1885. — Talfourd Thomas Noon: Tragedies. (Gesamtausgabe der Dramen) London 1844. — Talfourd Thomas Noon: Tragedies. Ninth Edition. London 1848 — Talfourd Thomas Nonn: The Castilian. An Historical Traged. In five Acts, London 1853. Whitehead William: Creusa, Queen of Athens London 1754.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2