42. Jahresbericht der k. k. Staats-Oberrealschule in Steyr, 1912

29 - tüchtigkeit und persönlichen Tapferkeit, das Volk vergöttert ihn wegen seines duldsamen, leutseligen Wesens und sieht in ihm seinen Führer und Schützer gegen die Willkür des Regenten. Sein Verantwortungsgefühl ist so groß, daß er sich die Schuld gibt, als seine Mitbürger der Uebermacht erliegen. Der Dichter hat es verstanden, auch Marias Charakter die richtige Mischung der Eigenschaften zu geben und sie innerhalb der festen geschichtlichen Umrisse folgerichtig zu entwickeln. Ihr maßloser Ehrgeiz eilt dem Handeln Padillas stets weit voran. Von den Personen des Gegenspiels tritt der neidische, prahlerische Giron am meisten hervor; sein Tod erscheint uns als gerechte Sühne für die Intrigen, durch welche er den wirklich tüchtigen Padilla zurückgedrängt hat, sowie dafür, daß er so viele Mitbürger nutzlos in den Tod getrieben. Nach den Worten der Bewunderung,die Adrian für Padillas Opfer¬ mut findet, erscheint sein Vorgehen diesem gegenüber grausam. Auch die Motivierung der Handlung ist dem Dichter in diesem Drama gut gelungen; die einzelnen Ereignisse sind durch einander begründet und zu einem künst¬ lerischen Ganzen verbunden, die Katastrophe erfolgt mit unvermeidlicher Notwendig¬ keit, Padilla stirbt als Märtyrer seiner Mitbürger. Hingegen läßt uns die Lösung im Unklaren über das Schicksal seiner Familie, und dies wenigstens anzudeuten war um so notwendiger, als Maria eine wichtige Rolle im Stück zugewiesen ist, indem ihr heimliches Streben, das in letzter Linie darauf hinzielt, ihren Gatten als Be¬ herrscher Kastiliens zu sehen, die Haupttriebfeder für sein Handeln bildet. Der poetischen Gerechtigkeit wird in nur unvollkommener Weise Genüge geleistet, indem gerade Maria, die die größere Schuld auf sich geladen, dem Strafgericht entgeht. Von Botenszenen macht Talfourd allzuhäufig Gebrauch, ohne jedoch die auf der Bühne gegebenen Berichte recht dramatisch zu gestalten. Statt zum Beispiel den letzten Kampf, der für den Fortgang der Handlung besonders wichtig ist, in einzelnen Gefechtspartien oder etwa den Tod Girons wirklich vorzuführen, erfahren wir den ganzen Verlauf von einem Soldaten, der darüber Adrian berichtet (V. 2). Dieser Akt ist auch besonders reich an Wiederholungen, deren Vermeidung der Klarheit der Handlung keinen Eintrag getan hätte. So berichtet Gonsalvo dem Regenten (V. 2), daß Padillas Söldner unter dem Eindruck des zugleich mit der Schlacht losbrechenden Gewitters dieses für ein Zeichen des himmlischen Zornes hielten und sogleich flohen, während die Bürger noch standhielten; Adrian wünscht nun die Entscheidung zu erfahren: ein Soldat tritt ins Zelt und erzählt, daß die feindlichen Söldner beim Losbrechen des Gewitters, von einer Panik ergriffen, flohen, während die Bürger mit verzweifeltem Mut weiter kämpften und schließlich in den sumpfigen Niederungen des Tagus gefangen oder niedergemacht wurden. Oder: Als Mondeiar in Padillas Auftrag zu Maria kommt, erzählt sie ihm (IV., 3), wie die Soldaten Adrians die Königin fortgeschleppt hätten; der Leser oder Zuschauer weiß die Tatsache bereits aus der ersten Szene des nämlichen Aktes, und in breiter Ausführlichkeit erzählt sie dann denselben Vorfall ihrem Gatten im weiteren Verlauf der dritten Szene des vierten Aktes. Was den organischen Aufbau der Handlung betrifft, so wirkt die Exposition im Anfang, wo sich die beiden Diener über die Verhältnisse des Hauses in feierlich abgemessenem Ton unterhalten, langweilig; ebensowenig erscheint es geschickt, wenngleich der Dichter in Bezug auf Wahrscheinlichkeit der Situationen in der Exposition sehr frei schalten darf, uns die Helden einer historisch-politischen Tragödie bei einer Geburtstagsfeier zum erstenmal vorzuführen. Romanhaft und eher als eine Huldigung für den um die Mitte des vorigen Jahrhunderts erwachenden Bergsport mutet es uns an, wenn wir hören, daß der junge Alphonso aus Anlaß seines Geburtstags in Begleitung seines Vaters eine waghalsige Kletterpartie unternehmen darf. Dramatische Bewegung kommt erst mit dem Auftreten Gonsalvos in das Stück, und es war ein guter Gedanke, Spiel und Gegenspiel uns gleich in den beiden Vertreter Padilla und Gonsalvo vorzuführen.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2