22 Gehorsam, und vollends erscheint Henry als bloßes Werkzeug in der Hand seiner Vorgesetzten, da er über die Tragweite des von ihm ausgeführten Befehles sich nicht im Klaren ist, er hilft, ohne es zu wollen, zum Untergang seines Hauses. Die wahr¬ haft Schuldigen werden im Stücke nicht vorgeführt. Diese Unklarheit, in der das Verhängnis sich seine Opfer wählt, läßt im Verein mit der Prophezeiung, derzufolge das Schicksal der Macdonalds als von vornherein feststehend gedacht ist, den geister¬ haften Visionen Halberts und dessen hellscherischem Wesen deutlich erkennen, daß „Glence eine Schicksalstragödie ist Doch ist es keine reine Schicksalstragödie, d. h. keine solche, in der die übernatürliche Einwirkung des Fatums allein die Handlung bestimmt; in das in der Vorfabel angedeutete Schicksalsgewebe webt sich ein zweites hinein, welchem dramatische Eignung nicht abzusprechen ist, der Bruderzwist. Durch die Schicksalsidee wird Halbert zum Haupthelden, obwohl er keinerlei Schuld auf sich geladen; nur weil er zum Stamm der Macdonalds gehört, kann und will er der durch Mac Ians trotziges Zaudern verursachten Katastrophe nicht ent¬ rinnen. Talfourd hat es verstanden, dem Haupthelden auch den Hauptanteil, wenn nicht an der Handlung, so doch am Interesse der Leser zu sichern und ihn kräftig von den übrigen Mitwirkenden abzuheben, so daß über seine Heldenschaft kein Zweifel entstehen kann. Moinas Gestalt legt einen Vergleich mit Grillparzers „Ahnfrau nahe. Beide erscheinen dem Helden jedesmal, wenn ihrem Hause Unheil droht, haben jedoch nicht die Macht, es abzuwenden. Moina lebt in tiefster Einsamkeit, da sie eine geheime Schuld auf sich geladen, wie die Ahnfrau des Hauses Borotin. Doch während Grillparzers „Ahnfrau“ wirklich als Geist erscheint, ist Moina als eine noch lebende Macdonald sagenhaften Alters gedacht, von deren vorbedeutendem Erscheinen nur berichtet wird. Noch die Schlußworte des V. Aktes weisen nachdrücklich auf die nun gleich der Ahnfrau Ruhe findende Moina hin, indem sich der sterbende Halbert der Todesstunde seines Vaters erinnert: I mark The face which gazed in pity on my rage Beside my father's death bed: — tis subdued Hushed, conquerd, — pardoned — and I die in peace. Das in der Sage von Moina enthaltene Wunderbare), Übernatürliche, hat Talfourd, indem er es in die Seele Halberts legte, mit weiser Mäßigung zur Ver¬ stärkung seiner Wirkungen zu benützen verstanden. Die Geistermusik, von der Anne Radcliffe) in ihren Romanen ausgiebig Gebrauch machte, läßt sich in diesem Stück, wo wir nur aus Halberts Berichten davon erfahren, eher als eine Hallucination erklären. Halberts Charakter ist folgerichtig entwickelt; anfangs ist er im Zustand der Ruhe, wo bloß seine allgemeine Färbung, seine Versöhnlichkeit, seine Heimat¬ liebe sichtbar wird, im Verlauf der Handlung entfalten sich diese Eigenschaften zum reinen Altruismus, der im Verzicht auf Helen den höchsten Ausdruck findet. Die edle Gestalt der Lady Macdonald, die trotz ihrer Liebe für ihren Sohn Halbert weit davon entfernt ist, etwa zu dessen Gunsten auf Helen einzuwirken, ist sehr schön gezeichnet. Aus Helen, deren Gestalt der Dichter mit grosser Zartheit gezeichnet hat, macht er ein psychologisches Problem: sie ist die Frau, die zwischen zwei Männern schwankt, dem einen, den sie nicht liebt, dem sie aber aus Dankbarkeit ihr Jawort gegeben hat, und dem andern, dem sie nicht angehören kann, weil sie sich dem ersten versprochen hat. Die durch Halberts Edelmut in Aussicht gestellte Lösung des dramatischen Konfliktes bleibt aber gegenstandslos, da die beiden Brüder unmittelbar darauf dem Verhängnis der Macdonalds zum Opfer fallen. Durch den freiwilligen *) Dabei möchte dem Dichter auch die Gestalt der weißen Dame von Avenel (in : The Monastery, 1820) vorgeschwebt haben, die öfter erscheint und nicht ohne Einfluß auf das Schicksal der handelnden Personen ist. *) Talfourd hat ihren literarischen Nachlaß geordnet.
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