41. Jahresbericht der k. k. Staats-Oberrealschule in Steyr, 1911

6 Mächtig fordernd griff Kaiser Josef II. in diese Bestrebungen ein und erhob das Theater an der Burg zum Hof- und Nationaltheater und man bemühte sich, für dieses Theater ein gutes Repertoire zu schaffen. Neben Originalstücken einheimischer und reichsdentscher Autoren, unter ihnen befanden sich auch die von Lessing, wurden Ubersetzungen aus dem französischen gegeben, so Didrrots „Hausvater“ in der Uber¬ setzung von Lessing, Molières „Tartuffe“ in einer Bearbeitung unter dem Titel „Der Heuchler“, „Die falschen Vertraulichkeiten“ von Marivaux, ein Stück von Mercier „Der Schubkarren des Essighändlers“, Beaumarchais“ „Der Barbier von Sevilla“ und zahlreiche andere Ubersetzungen aus dem Französischen und auch Englischen. Überhaupt stand damals Wien in lebhaftem Verkehr mit dem französischen Schauspiel und fran¬ zesische Theatergesellschaften traten häufig im Kärntnertor- und Burgthrater anf. Ende der achtziger Jahre tauchten die ersten Stücke Ifflands und Kutzebues auf, deuen Jahr aus Jahr ein neue folgten, welche allmählich die französischen Stücke in den Hinter¬ grund drängten, die Bühne für sich eroberten und sich mehr als ein Meuschenalter hindurch auf der Bühne erhielten, bis sie im Stoff veralteten und wieder ver¬ schwanden. Mit Beginn des 19. Jahrhunderts ward die Ubersetzertätigkeit aufs neue rege. Als Schreyvogel in die Leitung des Burgtheaters eintrat, machte er es sich zur Auf¬ gabe, ein gediegenes Repertoire zu schaffen, in welchem auch die fremden Literaturen mit ihren besten Werken vertreten wären. Zu diesem Zwecke las er fleißig die älteren Theater aller Nationen, wählte Stücke daraus, machte Vorschläge zu Bearbeitungen und trug sich selbst mit dem Gedanken, einige zu bearbeiten, ein Plan, welchen er nur in Bezug auf das spanische Theater ausführte. Unter anderen las er Desteuches, dessen „Dissipaleur“ ihm sehr gefiel und den er bearbeiten wollte (Schrvgl., Tgb. 5. und 10. März 1814) und Marivaux, den er sehr hoch einschätzte. (Eintragung in die Tagebücher vom 18. Juni 1815: Ver dem Einschlafen las ich gestern noch ein Marivauxsches Stück. Das ist mein Auter.) Gleich in den ersten Jahren seiner Wirk¬ samkeit wurden teils im Theater an der Wien, teils im Burgtheater die besseren französischen Theaterstücke aufgeführt. teils in den älteren, teils in neuen Bearbei¬ tungen; 80 Voltaire („Mahomet“ in der Uhersetzung Gieethes, „Merope“, „Semiramis „Zaire*), Corneille („Der Cidk“ in der Bearbeitung von Collin, „Rock gune“), Racine „Plädra*), Moliere („Tartuye“ in der schlechten Bearbeitung von Deinhardstein. „Die gelehrten Weiber“ „Der Geizige*) und Marivaux „Maske für Maske“ und „Die falschen Vertraulichkeiten“, welche sich großer Beliebtheit erfreuten. In den zwan¬ ziger Jahren kamen die ersten Ubersetzungen und Bearbeitungen Seribescher Stücke auf das Burgthrater, der nun ein regelmäßiger Gast auf dieser Bühne wurde und neben ihm noch eine Menge von anderen Ubersetzungen seiner Zeitgenossen. Von älteren französischen Stücken kam jetzt selten eines wieder auf die Bühne, so die „Schule der Frauen“ von Moliere, die im Jahre 1834 nach 28jähriger Pause in der Bearbeitung von Kotzebne nen in Szeue gesetzt wurde. III. Kapitel. Die Übersetzer. In die Lieferung dieser Übersetzungen teilten sich mehrere in Wien lebende Männer, teils Literaten, teils Schausjürler; der bekannteste von ihnen ist Castelli; von seinen 199 Theaterstücken sind nicht weniger als 136 Bearbeitungen und Uber¬ setzungen französischer Stücke darunter 28 Opern, die übrigen Lustspiele und nur einige wenige Schanspiele und Tragödien, wie überhaupt die aus Frankreich kom¬ menden Stücke meistenteils Lustspiele waren und hin und wieder eine Oper. Herrn von Kurländers literarische Tätigkeit bestand in der Lieferung schlechter Uhersetzungen aus dem Französischen und man munkelte von ihm, daß er sich die Aufführung seinter

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