41. Jahresbericht der k. k. Staats-Oberrealschule in Steyr, 1911

5 der „Mache“ der Franzosen teils bewundert, teils verworfen wird. Ein solches Stück gleicht einem mathematischen Beispiel, welches restlos aufgehen muß. Den Höhepunkt der Handlung bildet gewöhnlich ein sensationelles Moment, zu welchem mehrere andere hinaufführen, welche Interesse für sich selbst erwecken und die Spannung steigern; der Zuschauer wird durch mehrere Akte hindurchgehetzt, daß er gar nicht zur Be¬ sinnung kommt und kein Urteil sich bilden kann, aber es unterhält ihn, er braucht nicht zu denken und wenn der Vorhang fällt, geht er ruhig und zufrieden nach Hause, das Laster ist unterlegen, die Tugend triumphiert und er hat sich zwei Stunden lang gut amüsiert, In den meisten dieser Stücke handelt es sich um eine Enthüllung, welche einen Konflikt, eine Katastrophe heraufbeschwören würde und daher vereitelt werden soll: diese Enthüllung wird gewöhnlich an einen konkreten Gegenstand ge¬ knüpft, welcher sich leichter changieren läßt und mit diesem wird gespielt: wird es entdeckt oder nicht? ist die Frage, welche den Zuschauer in Atem hält und wenn es wirklich zur Entdeckung kommt, so zeigt sich oft, daß die damit verbundene Ge¬ fahr gar nicht so groß war. Bewundernswert ist die Leichtigkeit, mit welcher die Frauzosen Personen einführen und wieder verschwinden lassen, es erscheint als Not¬ wendigkeit, der Salon bildet den natürlichen Vereinigungspunkt der handelnden Per¬ sonen. Die Erzählung von vergangenen Ereignissen geschieht auf glaubwürdige Weise, zur Befriedigung der Neugier einer Person oder um eine ganze Gesellschaft zu unter¬ halten und mit dieser Erzählung wird gewöhnlich ein Motiv eingeführt, welches zut Charakterisierung dient und in der Folge bedeutungsvoll für die Handlung wird, sodaß es, wenn es dann selbständig anftritt, als etwas Bekanntes anmutet und leicht Glauben findet. Die Handlung entwickelt sich nicht in langen Dialogen, sendern diesen folgen gesellschaftliche Szeuen, lange Zwiegespräche innerhalb einer Szeue werden durch kurze Wechselreden abgelöst und zwischen wichtigen Szenen, welche die Aufmerksamkeit und das Interesse in hohem Maße erregen, sind kleinere Szenen zur Erholung einge¬ schaltet. Der Dialog ist leicht und flüssig. geistreich und witzig, die Sprache korrekt, die Ausdrucksweise meist kurz, doch finden sich auch farbenreiche Metaphern und hin und wieder eingestreute Argotismen. Zwei Motive, welche zwei Handlungen zur Folge haben, werden se ineinandergearbeitet, daß sie sich gegenseitig stützen und der Fort¬ schritt der einen den der anderen fürdert. II. Kapitel. Das Hofburgtheater.) In Wien hatten sich länger als im übrigen Deutschland die extemporierenden Schauspieler erhalten und selbst als schon regelmäßige Schauspiele gegeben wurden. bestanden sie noch lange Jahre weiter. Die Anfänge einer deutschen Schauspielkunst wurden in Wien noch dadurch erschwert, dab sich im Jahre 1751 eine französische Schanspielertruppe in Wien niederließ, wrlche das ganze Repertoire aus der Zeit Lndwigs XIV. spielte, welches dem Geschmack und der Bildung der höheren Stände entsprach und so dem deutschen Theater das l’ublikum entzog. Diese Konkurrenz aber brachte es zuwege, daß einheimische Talente sich regten, sich den Anfordermngen des Publikums anzupassen versuchten und bürgerlich moderne Stoffe behandelten. Allmählich erstarkte diese Bestrebung und als im Jahre 1765 die französische Schan¬ spielergesellschaft Wien verließ und balll darauf das stärkste komische Talent der ektemporicrenden Schanspieler starb, nalun das regelmäßige dentsche Schauspiel eine stetige Entwicklung, welche nur noch einmal auf kurze Zeit unterbruchen wurde. Man suchte sich dem Einfluß fremder, besonders französischer Dichtung und Schauspielkunst zu entziehen und leitete so die Anfänge einer Nationalbühne ein. Tranerspiele und Rührstücke wurden seltener aufgeführt, das scherzhafte Lustspiel behauptete den Vorrang. ) H. Laube: Das Burgtheater. Costenoble: Aus dem Burgtheater, Schreyvogel: Tagrbücher.

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