41. Jahresbericht der k. k. Staats-Oberrealschule in Steyr, 1911

31 des Königs geschlossen wird (Hitzköpfe, 7. Szene). Eine weitergehende Abnlichkeit findet sich zwischen dem „Tagebuch“ und La Jausse Aqnes von Destouches. Die Anregung zu diesem Stücke kam Bauernfeld durch eine Novelle Schillings, „Die ver¬ Flitterwochen“, doch war ihm auch Destouches bekannt. In den „Flitterwochen“ stellt sich Cordula, weil sie glaubt, ihr Mann habe mehr auf ihre reiche Mitgist, als auf ihren inneren Wert gesehen, eine Strafe, welche er nicht verdient, Angelique in La Jausse Aques, um einen unbequemen Freier abzuschrecken und ihren Eltern seinen Enwert und seine Nichtigkeit zu beweisen, Lucis im „Tagebuch“ dagegen, um ihrem Mann zu zeigen, daß eine Frau ohne Rücksicht auf ein Plus oder Minus von Geist und Bildung geliebt sein wolle, um ihn von seinen grotesken Vorurteilen zu heilen und seine zögernde Gegenliebe zu erringen. Bauernfeld gebraucht auch gern sowohl in seinen Theaterstücken als auch in seinen Aufsätzen französische Redens¬ arten; in ersteren meist zur Charakteristik der Person oder der Gesellschaft; in den „Verlassenen“ das geflügelto Wort aus Molières George Dandin „Tu l'as vontu a und in seinen Aufsätzen kehrt öfter wieder das Sprichwort Jaire bonne mine mauvais jeu“ Was das Nachahmen betrifft, so war es die feste Uberzeugung Bauernfelds, der sehr dazu neigte, sich durch eine große Persönlichkeit leicht beeinflullen zu lassen, daß jeglicher Fortschritt vom Nachahmen abhänge, das einer auf dem andern fule (Bfld, Tgb., Mai 1823). Andererseits fehlte es ihm vollständig an Erfindungsgabe und selbstschöpferischer Gestaltungskraft, sodal er bei Neuschöpfungen immer auf andere angewiesen war. So nahm er denn auch dankbare Stoffe, wo er sie fand und machte Anleihen sowohl bei deutschen als auch englischen, dänischen und franzö¬ sischen Schriftstellern, wobei er manchmal bis hart an die Grenze des Unerlaubten streifte. Wenn er sich in einem Zustande geistiger Drepression befand, was im höheren Alter öfter vorkam. wenn er sich mit verschiedenen Umarbeitungen und neuen Plänen abquälte, da war es stets ein fremder Dichter, welcher ihn aus diesem Zustande herausriß und da geschah es, daß er dann binnen wenigen Tagen ein neues Stück entwarf und zu Ende führte. Ein solcher Helfer in der Not war ihm der Däue Hol¬ berg und oft genug waren es die Franzosen (Bfld., Tgb., 25. Juni 1856). Die Wich¬ tigkeit des französischen Einflusses liegt nicht so sehr darin, dal ihm die französi¬ sche Literatur nur Stoffe lieferte, das Wichtigste und worauf auch Bauernfeld in seinen Aufsätzen und Tagebuchnotizen stets hinwies, war die Art und Weise der wirkungs¬ vollen Verarbeitung der Tagesfragen, der neuen gesellschaftlichen, politischen und volks¬ wirtschaftlichen Ordnung im modernen Lustspiel, die Gestaltung dem Leben entnom¬ mener Stoffe und Figuren für das wirkliche Bühnenleben. Wenn Alfred Klaar jeg¬ lichen Einflul der Franzosen auf Bauernfeld leugnet, so ist dies sicher nicht richtig: darin aber hat er vollkommen recht, dall es Bauernfeld ihnen nicht nur nachgemacht sondern oftmals gleichgemacht, ja manchmal vorgemacht hat, dall er wie sie beim modernen Leben in die Schule gegangen ist. Daß er es tat, ist aber neben seiner natürlichen Veranlagung dazu auf den Einflul der Franzosen zurückzuführen und dal er ein gelehriger Schüler von guter Beobachtungsgabe war, zeigt der Umstand, dal er selbständig eine neue Lustspielfigur schuf. Er war der erste, welcher einen Banquier Müller (im „Liebesprotokoll*) zeichnete, den Typus des Emporkömmlings, eine Figur welche in Frankreich und Deutschland einige Zeit später auftauchte und bald in alle Lustspiel-Literaturen Eingang fand. Gar vieles hat Bauernfeld anderen Literaturen entlehnt, bei vielen ist er in die Schule gegangen und hat sich in manc hem gar zu eng an sein Vorbild gehalten; aber stets hat er es verstanden, mag er den Stoff genommen haben, wo er wollte von den Franzosen, von Shakespeare oder von Holberg, ihm sein eigenes Gepräge aufzudrücken und ihn zu seinem geistigen Eigentume zu gestalten; das bewirkt seine eigentümliche Begabung, sein Wienertum, die Lust am Räsonnieren, die Lebhaftigkeit seines Empfindens, die Gemätlichkeit vor allem, welche sich zu kritischer Überlegung,

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