41. Jahresbericht der k. k. Staats-Oberrealschule in Steyr, 1911

20 gilt von ihr. Dem Einwurf ihrer Schwester Celine „Das wird sie nie! Sie müßte zaubern können; Wer ändert solchen Unhold? widerspricht Annette: „Doch vielleicht, Wenn Celimene eine andre wäre“. (I., 3. Sz.) Annette ist eben eine andere. Alcest scheitert in seinem Unternehmen, er vermag Celimene nicht zu sich emporzuheben, weil er starr und unbeugsam alles verwirft, was im geringsten gegen seine Anschauungen verstößt und so flicht er hmnaus in die Einsamkeit, um sich ein Plätzchen zu suchen, wo er mit Freiheit ein Ehrenmann sein kann. Celimene kann ihn nicht bessern, weil sie sein Wesen nicht erkannt hat, ihn nicht liebt und auch zum kleinsten Opfer nicht fähig ist. Annette aber besitzt diese opfermütige Liebe, die Sanftheit, Milde und Geduld, welche zu dieser Aufgabe nötig sind und deren Macht es gelingt, Malrepos' Mittrauen zu besiegen und die heilsame Wandlung in seinem Gemüte herbeizuführen. Er wehrt sich lange gegen diese Wandlung, aber allmählich schmilzt die harte Rinde um sein Herz, sein Mißtrauen weicht, er erkennt den Wert Annettens voll und ganz und diese gegenseitige Erkenntuis ihrer selbst vereinigt für immer die beiden diatten. Das Stück wurde auch in Deutschland aufgeführt und gefiel am meisten in Berlin, wo es nach der Absetzung vom Wiener Repertoire im Jahre 1839 seine Erst¬ aufführung erlebte, auläßlich welcher Bauernfeld in Glasbrenners Kritik ein tüchtiger Schüler Molieres genannt wurde. Trotz dieses Erfolges war er mit dem Stücke nicht zufrieden und die Idee ging ihm nicht mehr aus dem Kopfe. Aber erst 1863 be¬ schäftigte er sich wieder mehr damit, nachdem er eine Periode durchgemacht hatte während welcher er. mit vielen Projekten beschäftigt, neue Stücke begann, sie wieder liegen ließ, alte nmarbeitete, aber zu keinem Resultate kam, sodaß er resigniert wurde und an seiner Gestaltungskraft verzweifelte. Im Mai 1863 hatte er vom „Selbst¬ quäler“ („Sonderling“) 3 Akte fertig gebracht und den 4. begonnen, arbeitete dann an der „Soldatendirne“ nach den. „Soldaten“ von Lenz und nahm im Juli den „Sonder¬ ling“ von Laube zurück, um ihn in 3 Akte umzuarbeiten. Im Oktober 1863 legte er die letzte Hand an und gab dem Stücke den Titel „Mißvergnügt.“ Bauernfeld befand sich in arbeitsfreudiger Stimmung, andere Stücke beschäftigten ihn. besonders der „Jäcklein“, den er für sein bestes hielt und „Mißvergnügt“ wurde weder auf¬ geführt noch gedruckt. Nuch einmal, im Jahre 1890, seinem letzten Lebensjahre, griff der greise Dichter zu diesem Stoffe, diesmal seinem noch ungebrochenen Arbeitsdrange folgend. Die Personen sind dieselben, die Charaktere etwas geändert und die Handlung nur bis zur Hochzeit Malrepos ausgespennen. Hatte Malrepos im -Selbstquäler“ nur durch eine List seines Freundes St. Amand dazu gebracht werden können, sich für die ge¬ liebte Annette, die ältere, zu entscheiden, so wird in den „Hitzköpfen“ seine end¬ gültige Wahl durch Amnette, die ungelichte jüngere Schwester. bestimmt. Wie sonst. so folgt auch hier Bauernfeld seiner Art. ältere Stücke neu zu bearbeiten, indem er aus dem „Selbstqnäler“ mehrere Szenen, so die mit dem Hauswirt teilweise, den Besuch des Marquis d’ Aubusson de la Feuillade gänzlich beibchielt, sie etwas kürzte. andere Szeuen mit verwendete, die stehen gebliebenen Verse durchfeilte, sie dem Gang und der Idee des Stückes anpaßte, was ihm hier so gut gelang, daß durch den schlagfertigen Dialog, die Flüssigkeit der Vorse und den frischen Zug der Handlung ein gut Teil des rasch pulsierenden Blutes der Hitzköpfe prächtig charakterisiert erscheint. Die Annette und Celine des „Selbstquäler“ haben in den „Hitzköpfen“ Namen und Rolle getauscht. Sie beide und Malrepos sind Hitzköpfe, die sich von ihrem Temperament hinreißen lassen: Annette ist jugendlich, noch kindlich, bisweilen kindisch, Celine reifer, erfahrener, die bemüht ist, sich selbst beherrschen zu lernen; Malrepos ist leicht aufbrausend, sich steigernd bis zum Jähzorn, der sich selbst nicht

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