41. Jahresbericht der k. k. Staats-Oberrealschule in Steyr, 1911

— 19 gewann, während Grillparzer, der ihm einige Anderungen vorgeschlagen hatte, sich nicht dafür erwärmen konnte. Bevor es Bauernfeld einreichte, zog er es in drei Akte zusamnmen; bei der Aufführung machte es großen Eindruck; trotzdem war er damit nicht zufrieden, er erkannte die Mängel, besonders die Unwahrscheinlichkeit der Besserung des Murrkopfes, den Mangel an Handlung, welche durch die psychologische Charakterentwicklung nicht ersetzt wird, was alles dazu beiträgt, daß der Zuschauer schwerer von der Besserung überzeugt wird, als der Leser der Novelle. Sein Stück bezeichnet Bauernfeld selbst als eine Studie nach Molière. (Bfld. des. Schr. B. IV, S. 242/243). Moliere zeichnet im Misanthrope das tragische Schicksal Aleests, der sich durch edlen Sinn und Aufrichtigkeit, Lauterkeit des Denkens und Wollens auszeichnet, in der Welt aber nichts als Feigheit, Schmeichelei und Verstellung findet, welche das Leben zu einer einzigen, großen Lüge machen und ihn die Welt hassen und verachten lassen. Sein Gemüt ist durch diesen Gegensatz verbittert, seine Wahrheitsliebe gibt nicht zu, daß er diese Heuchelei mitmacht, sondern sie drängt ihn, seine Meinug offen auszusprechen und bringt ihn dadurch in Unannehmlichkeiten und Gefahren; er wird hart und ungerecht, er bestreitet die Notwendigkeit und Berechtigung gewisser Formen, welche die Gesellschaft aufgestellt hat und welche sie beobachten muß, wenn sie bestehen will. Dadurch gerät er in direkten tiegensatz zu seinem Freunde Philinte, der nüchtern denkt, die genannten Fehler zwar auch sieht und vorurteilt, darüber aber nicht in Zorn gerät, sondern die Meuschen nimmt, wie sie sind. Auch Bauern¬ feld stellt in den Mittelpunkt der Handlung Malrepos, einen Mann, der durch seine Charakterveranlagung, deren Schwächen Erzichung und Lebensweise noch schärfer entwickelt haben, in Gegensatz zur Gesellschaft gerät; ihr Glanz und Schimmer ist ihm verhaßt, weil er die Hohlheit und Falschheit kennt, die sich dahinter verbirgt, gegen jedermann hegt er Mißtranen, das soweit geht, daß er sogar seine getreuesten Diener des Betruges für fähig hält. Ungerechtigkeit aber empört ihn und weckt nur allzuleicht seinen Zorn, der sich zum heftigsten Jähzorn steigert und ihn Handlungen begehen läßt, welche er nachher bereut und so gut es gcht, wieder gut zu machen versucht. Über die gesellschaftlichen Normen setzt er sich hinweg und nur im Verkehr mit seinem Freunde St. Amand und dessen Schwestern kommen seine guten Eigen¬ schaften zum Vorschein. Alrests Verhängnis hat es gefügt, daß er Celimene licbt, welche nichts von der Biederkeit und Rechtlichkeit besitzt. welche er von den Menschen verlangt; sie ist latterhaft. kokett. gewöhnt an das Leben in den Salons und an die Verehrung zahlreicher Anbeter. Aleest ist der erste, diese Fehler zu schen und zu verdammen; er kann aber seine Liebe nicht unterdrücken, wenn ihn auch der Verstand dazu drängt und er trägt sich mit der Hoffnung. Celimene durch seine Liebe von ihren Lastern zu reinigen. Auch Malrepos lernt die Liebe kennen, er unterliegt den Reizen Annetteus, der älteren Schwester seines Freundes. Aber er hält sie vor ihr geheim, weil er fürchtet, dann ihr Sklave zu werden; ihr Wesen muß in dem seinen anfgehen, sie muß von selbst zur Erkeuntnis gelangen, daß er ihr Herr sei und sie ihm dienen müsse; hat sie das erkannt, dann erst soll sie die Größe seiner Liebe erkennen. Amnette ist seiner Liebe vollkommen würdig, ein sanftes Wesen, in dem patriarchalischen Hanshalte ihrer Eltern aufgewachsen, gewöhnt an ein ruhiges Leben, die rauschenden Vergnügungen der Welt beängstigen sie. Sie liebt Malrepos, sie hat seinen vollen Wert erfaßt, seine Sehnsucht nach Liebe begriffen, es erscheint ihr als ein schönes Los. ihm diese geben zu dürfen und ihn von den Fehlern, welche ein Ausbruch seiner kräftigen Natur sind, zu befreien. Was sie von Alcest und Celimene sagt: „So scheint mir selbst, es könnte Celimene, Die so lebendig, wahr und reizend ist, Weim sie Aleest recht vom Gemüte liebte, Den Mann vielleicht vom Grunde bessern. ändern“, 32

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