41. Jahresbericht der k. k. Staats-Oberrealschule in Steyr, 1911

— 12 Und halb gelehrt mit halb gelehrten Männern Beherrschen sie das Haus und den Salon Und eine vornehm' adelige Dame Schont nicht des bürgerlichen Gatten Ehre Und einen misanthropischen Altest Umgankelt die galante Celimene Und jagt den Meuschenhasser aus der Welt. Der Dichter, scelenkundig, kennt die Schwächen — vom derben Bauer Der menschlichen Natur Bis zu dem Himmelstürmer Don Juan Hoch oder niedrig, Menschen sind wir alle Und die Gebrechlichkeit ist unser Erbteil. Das malt er froh und heiter und wir lachen. Doch dem Gelächter folgt Bewunderung, Des Dichters Kunst und weisen Sinn gezollt, Wie seiner Sprache Wohllaut und Gewalt. So ruf' ich vollen Herzens: Hoch Molière! Er ist der Dichter der Humanität. Der gröllte Dichter Frankreichs, des Jahrhunderts! III. Abschnitt. I. Kapitel. Einfluß der französischen Technik. In seiner Jugend, in den ersten Jahren des Suchens und Versuchens, hatten auf Bauernfeld die verschiedensten Einflüsse gewirkt, denen er sich willig unterwarf, bis ihn sein kritischer Sinn und der Drang, Eigenes zu schaffen, ihnen entriß. Auch in seinen späteren Jahren war er im Erfinden des Stoffes meistenteils auf andere ange¬ wiesen, aber er verstand es, sich nur das Gute anzueignen, es aufzunehmen und in seinem Sinne umzugestalten. In dieser Beziehung fand er vielfach bei den Franzosen dlie günstigste Anregung. An ihnen schätzte er ja die Schönheit der Sprache, die Eleganz des Verses, die ungezwungene Technik des Dramas, die effektvolle und glückliche dramatische Verarbeitung der Tagesfragen, der die Zeit bewegenden Türen welche, dem Leben abgelauscht, für das wirkliche Bühnenleben verarbeitet werden. Forderungen, welche er auch für sein Schaffen aufgestellt hatte und zu erfüllen trach¬ tete. Als er anläßlich der Aufführung seines Lustspieles „Der Vater“, das eine fran¬ züsische Quelle hat, angegriffen wurde, als man ihm Sittenlosigkeit und Frivolität vor¬ warf und tadelte, daß er das heilige Verhältnis eines Vaters zu seinen Kindern augetastet habe und als man sein Stück „würdig“ nannte, „ein französisches Machwerk neuester Zeit zu sein“, da verteidigte er sich gegen diese Vorwürfe und gestand den Einfluß der französischen Schule. Er forderte für sich dasselbe Recht, wie es die Franzosen schon seit längerer Zeit ausübten, die Meuschen auf die Bühne so zu bringen, wie sie sind und dem modernen Elemnent der Gegenwart auf die Bühne Ein¬ gang zu verschaffen. Von der Technik der Franzosen hat er sicherlich viel gelernt und diesem Einflus ist es zu danken, das die durch die schlechten Ubersetzungen der Wiener Uhersetzen verrettete Sprache ans dem Lustspiel verdrängt wurde und einer anmutigen Konver¬ sationssprache Platz machte, daß man seit längerer Zeit wieder leicht fliellende. glatte Verse und einen schlagfertigen, geistreichen und witzigen Dialog hörte. Banernfeld versuchte sich auch in der Anwendung des Alexandriners; zum erstenmal verwendete er ihn in dem fünfaktigen Lusispiele „Der Brautwerber“ mit dem er keinen Erfolg hatte; er sah ein, daß es falsch sei, einen Fünfakter in Alexandrinern zu schreiben

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2