39. Jahresbericht der k. k. Staats-Oberrealschule in Steyr, 1909

— 6 — Moissan, verbucht? im Jahre 1895 eine Absorption des Stickstoffes durch Karbide zu bewirken, jedoch mit negativem Erfolg. Nun unternahmen es Frank und Caro anfangs 1895, durch zahlreich«? Arbeiten die Bedingungen festzustellen, unter welchen die Bindung des Stickstoffes durch die Karbide der Alkalien und Erdalkalien, speziell das Bariumkarbid, erfolgt. Diese Körper absorbieren bei mäßiger Glut den ihnen zngeführten Stickstoff und verwandeln sich dabei in die Metallsalze des Cyanamids. Der wichtigste Schritt in der Entwicklung der Frank - Caro ’ schen Entdeckung war der Vorschlag, das rohe Kalziumcyanamid direkt als Düngemittel zu verwenden. Dieser Gedanke wurde angeregt einerseits durch die große Leichtigkeit, mit welcher dieses Produkt seinen ganzen Stickstoff in Form von Ammoniak abspaltet, anderseits durch das gänzliche Fehlen des giftigen Cyanides in der Reaktionsmasse. Aus der Beobachtung, daß der Kalkstickstoff anderen Amnionsalzen, wie z. B. dem Amnionsulfat nahezu äquivalent ist, ließ sich mit großer Wahrscheinlichkeit schließen, daß das Kalzinmcyanamid im Boden unter dem Einflüsse der Atmosphärilien zunächst Ca CO, und freies Cyanamid ergibt und daß letzteres Ammoniak abspaltet, welches durch die Bodenbakterien nitrifiziert, d. h. zu Salpetersäure oxydiert wird. Die Franksche Erfindung benötigt außer großen Mengen von elektrischer Energie zur Erzeugung von Kalzimukarbid auch noch einer möglichst billigen und bequemen Methode zur Abscheidung des Stickstoffes aus der Luft. Die erste derartige Anlage ist in Italien errichtet worden. Trotzdem diese Errungenschaft schon einen großen Fortschritt auf diesem Gebiete bedeutet, so ist es doch viel wichtiger, den Luftstickstoff anstatt in Cyanamid direkt in Salpetersäure überznfnhren, welche in der Industrie eine größere Bedeutung hat als das Ammoniak und als Düngemittel vorznziehen ist, da sie in Form von Nitraten direkt assimiliert wird. Gewinnung von Salpetersäure und Nitraten aus dem Luft-Stickstoff. Der Weg zur Darstellung von .Salpetersäure aus dein Luft-Stickstoff wird uns aber erst eröffnet, wenn es uns gelingt, den Stickstoff mit dem Lnftsanerstoff zu vereinigen, zu verbrennen. Daß dies möglich ist, wird bereits von Cavendish bewiesen, ebenso ist bekannt, daß der in der Luft vorhandene, gebundene Stickstoff auf die in der Atmosphäre durch elektrische Entladung in sehr geringem Umfange stattfindcndo Verbrennung von Stickstoff zurückzuffihren ist. Um letztere im großen Maßstabe dnrchzuführen, sind bedeutende Mengen von elektrischer Energie nötig, die man sich nun auf möglichst billige Weise verschaffen müßte. Wie bereits in der Einleitung erwähnt, bildet sich Stickoxyd auch bei der Verbrennung des Wasserstoffes, jenes chemischen Prozesses, der von der höchsten Wärmetönung begleitet ist. Es ist ja bekannt, daß Stickstoff zu den stark endothermischen Körpern gehört, also nur durch große Enorgiezufuhr zu gewinnen ist. Durch die große Entwicklung der Elektrotechnik in den letzten Jahrzehnten des XIX. Jahrhunderts und die moderne Ausnützung der natürlichen Wasserkräfte ist mau heute imstande, ganz unglaubliche Mengen von elektrischer Energie zu erzeugen und sie nutzbringend anzuwenden. In dem Zeitraum seit der Wahrnehmung Cavendish bis zur heutigen fabriksinäßigen Darstellung der Salpetersäure ist eine Fülle von Arbeit geleistet worden und Fleiß und Scharfsinn von Gelehrten haben alle Schwierigkeiten glücklich überwunden. Ich will nur an die Arbeiten von Crookes (1892) und von Lord Rayleigh (1897) erinnern, d< r bei dieser Gelegenheit das Argon entdeckte, und die Versuche von Huthmann und Hofer erwähnen, die auf Erlangung guter Ausbeuten abzielten. In Amerika ging man inzwischen daran, das von R. Lovejoy und C. S. Bradley angegebene Verfahren zu einer fabriksmäßigen Gewinnung von Salpetersäure praktisch

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