39. Jahresbericht der k. k. Staats-Oberrealschule in Steyr, 1909

5 — Steinkohlen resultiert. Der Vorrat au Steinkohlen ist, auch in Europa, noch derart groß, daß der Zeitpunkt der Erschöpfung an diesem kostbaren Rohmaterial noch in weiter Feme liegt. Es muß dabei in Erwägung gezogen worden, daß nur ein kleiner Teil des in den Steinkohlen enthaltenen Stickstoffes .als Ammoniak bei der trockenen Destillation gewonnen wird, nämlich — */«, während ein anderer Teil als Stickgas verloren geht und ein beträchtlicher Teil noch in den Koks zurückbleibt und bei der Verbrennung derselben ebenfalls als Stickgas unvorwertet entweicht. Es würde zu weit führen, auf die Frauchen dieser unvollständigen Ausnützung chizugehon und mochte ich nur darauf hiuweisen, daß die Abfalle der Reinigung der Kohlen, die im Durchschnitt 30 — 35% Kohle enthalten, verhältnismäßig viel stick ­ stoffreicher sind als die Kohlen selber. Diese Abfalle lassen sich nach dem Mond ­ prozeß auf ein Gas von 1000 — I10o Kalorien verarbeiten, wobei gleichzeitig große Mengen von Ammoniak gewonnen werden. Auch städtische Abfalle werden, wie Caro und Erlwein feststellten, nutzbringend auf Amnumiumsulfat verarbeitet. Die dritte Klasse endlich sind die Cyanverbindungen, beziehungsweise die gepaarten Cyan Verbindungen. Der Bedarf an ersteren ist, abgesehen von anderen Ursachen, besonders durch die in Südafrika und Nordamerika derzeit geübten metall ­ urgischen Prozesse der Goldgewinnung wesentlich gesteigert worden. Deutschland selbst führte 1901 20.000 q Cyankalium ä 195 Mark aus. Für die Gewinnung von Cyanverbindungen war längere Zeit sowohl das alte Bhitlaugensalzverfahren als auch die Darstellung von Cyaniden aus den Gasreinigungs ­ massen im Schwünge. Letzterer Prozeß hat das alte Blutlaugensalzverfahren längere Zeit ganz zuriickgedrängt ; es scheint aber, als ob dasselbe jetzt wieder festen Fuß zu fassen beginnen würde. Die Cyanindustrie konnte sich mit ihren früher benützten Rohmaterialien nicht mehr begnügen, da dieselben nicht ausreichten, den bedeutend gewachsenen Bedarf zu decken ; auch an die Reinheit der Produkte wurden sehr hohe Anforderungen gestellt. Es mußten neue Mittel und Wege ersonnen werden, um den gesteigerten Ansprüchen an Qualität und Quantität der Ware gerecht zu werden. Anschließend au die Cyanverbindniigen sind noch die unter dem Namen Kalkstickstoff als Dünge ­ mittel verwendeten Produkte zu nennen, deren Darstellung die technische Ausnützung des Stickstoffes so sehr gefördert hat. Vergleichen wir die Ergiebigkeit und Mannigfaltigkeit der drei wichtigsten Gruppen der Stickstoffverbiiiduiigeii, so ergibt sich der Schluß, daß für alle Fälle die Gewinnung von Nitraten ans dein atmosphärischen Stickstoff die beiweitem wichtigste Frage in dieser Richtung bleibt, auch schon aus dem Grande, weil die Darstellung unmittelbar aus der Luft, ohne den Stickstoff als solchen vom Sauerstoff zu trennen, dnrehgeführt werden kann. Die Erkenntnis, daß wir nach Erschöpfung der uns jetzt Stickstoff liefernden Quellen neue erschließen müssen, gab Anstoß zur kühnen und an verschiedenen Stellen fast gleichzeitig begonnenen Forscherarbeit, die ausschließlich dem XX. Jahrhundert angtdiört, nachdem das zur Neige gegangene die Wege dafür geebnet hatte. Es ist interessant, daß hier wie in anderen Fällen eine ganze Reihe von Untersuchungen und Beobachtungen früherer Jahre auf einmal keinen nur rein wissenschaftlichen Charakter mehr hatte, sondern praktische Bedeutung gewann. Man erinnert sich der Fähigkeit mancher Metalle, Stickstoff direkt zu binden und aus den so entstandenen Nitriden in Form von Ammoniak wieder frei werden zu lassen, wenn man sic mit Wasser zersetzt. Diese Reaktionen führten ebenfalls zu einer Methode der Bindung des Luft-Stickstoffes. Frank gebührt das Verdienst, die Einwirkung reinen Stick ­ stoffes auf die Karbide der Erdalkalimetalle genauer untersucht zn haben. Erst durch die Arbeiten von Moissan und Wilson ist es jedoch möglich geworden, Metall- kohlenstoffvcrbiinliiiigcn, insbesondere diejenige des Kalziums, im elektrischen Ofen in beliebiger Quantität und zu billigem Preis herzustollen. Der eine der beiden Forscher,

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