39. Jahresbericht der k. k. Staats-Oberrealschule in Steyr, 1909

— 52 — anderen, die Unabhängigkeitsgelnste der Magyaren, die auf Lostreunung Ungarns vom Habsburgerreicho und auf die Bildung einer selbständigen Republik hinarbeitetmi, zu bekämpfen. Im Verlaufe de» Jahres 1849 schlug die österreichische Armee in Italien unter der genialen Führung des greisen Feldmarschalls Radetzky das feindliche Heer bis zur völligen Vernichtung. König Albert von Sardinien entsagte der Krone und »ein Nachfolger Viktor Emanuel schloß mit Oesterreich Frieden. Schließlich erfochten Österreichs Waffen auch in Ungarn den Sieg und Kaiser Franz Josef nahm persönlich an den Kämpfen von Raab und Komorn teil. Nun erst konnten die Früchte jener vielen Bemühungen und inneren Kämpfe, die in den Märztagen des Jahres 1848 mit Leidenschaft geführt wurden, zum Reifen gebracht werden. Alles, was er in seinem Antrittsmanifeste versprochen hatte, seinen Völkern auf der Grundlage wahrer Freiheit dauerndes Glück zu schenken, wollte er nun ausführen. Wohl stellten sich seinem Beginnen seiner unübersteigliche Hindernisse in den Weg. Da Salt es, die historischen Rechte der einzelnen Länder achten, mit den nationalen For- erungen der Völker rechnen, die verschiedensten, divergierenden Interessen der Teile des Reiches berücksichtigen und über all dem doch das Gesamtwohl des Staates nicht vergessen. Wiederholt mußte da» Werk unterbrochen oder ganz aufgehoben werden; und es vergingen nahezu 20 Jahre, ehe Österreich in einen modernen Rechtsstaat umgewandelt war. Besondere Schwierigkeiten machte es, das Verhältnis Ungarns zum Gesamtstaatc zu regeln. Es mußte einerseits den eigentümlichen nationalen- und Selbständigkeitsbetrebungen de» Landes Rechnung getragen, andrerseits die Großmachtstellung der Gesamtmonarchie aufrechterhalten werden. Den Schlüssel zur Lösung dieser Frage fand man in den 67er Ge ­ setzen, durch welche Ungarns innere selbständige Verwaltung zugestanden wurde, jedoch das äußere Band der politischen, militärischen und finanziellen Zusammengehörigkeit beider Länder zu einem Großstaat nur noch fester geknüpft wurde. Das große Werk war getan und nun galt es nur noch, auf dem betretenen Wege der Modernisierung fortzusclireiten. Und »o gab unser Kaiser jederzeit gerne seine Zustimmung, wenn sich mit neuen Zeitideeu neue Forderungen seiner Völker nach einer breiteren Grundlage der Mitwirkung aller an dem großen Baue erhoben. Das vergangene Jahrzehnt konnte dies in dem Streben und in der Verwirklichung der Wünsche der Völker nach dem neuen Wahlrechte auf breitester Basis sehen. Nur langsam und öfter durch Kriegsfanfaren unterbrochen, ging.das Werk der Reor ­ ganisierung von Österreichs Verfassungaleben vonstatten. Ehe wir Österreichs feindliche Entwicklung auf allen Gebieten der Kultur während der 60 Jahre der Regierung unseres Kaisers betrachten, müßen wir noch einen Blick auf die äußeren Erschütterungen werfen, die Österreich vor dem Abschlusse der bereits erwähnten inneren Festigung zu bestehen hatte. Das Jahr 1859 sah uns in einen schweren Kampf mit Sardinien und dem mit Sardinien verbündeten Napoleons III. verwickelt. Das erstere wollte das lombardisch-venetianische Königreich an sich bringen, der letztere unterstützte jede Politik, die den mitteleuropäischen Großmächten schadete. Auf den Schlachtfeldern von Magenta und Solferino ward Öster ­ reich» Adler besiegt und Mailand ging verloren. Es war ein Krieg für die Ehre und Österreichs Rechte in Italien, in dem die Sympathien jedes rechtlich Denkenden auf seiner Seite standen. Neue Lorbeeren errang »ich unsere Armee in Dänemark, als Österreich an Seite Preußens im Jahre 1864 einen Krieg um die Herzogtümer Schleswig-Holstein führte. Der Tag von Översee lebt in der österreichischen Armee in ehrendem Gedächtnisse weiter und kann sich in seinem ruhmvollen Glanz ebenbürtig an ilie Seite jenes stellen, da die Verbündeten in heldenmütigem Kampfe die berühmten Düppeler Schanzen erstürmten. Damals bestand auch unsere Kriegsflotte höchst ehrend ihre Feuertaufe vor Helgoland und zeigte, daß sie in den Mitteln, die der Großmacht zur Respektierung ihrer Stellung zu Gebote standen, von nun an einen achtunggebietenden Posten einnehmen werde. Dem Rnhmesblattc, das Tcgetthof, unser unvergleichlicher Seestratege, vor Helgoland errungen hat, fügte er ein noch bedeutsameres bereits 2 Jahre später durch den glänzenden Seesieg bei Lissa über die italienische Flotte hinzu. Dieser Sieg, sowie jener, den Österreichs Truppen zu Land über das italienische Heer bei Custozza errangen, müssen den schweren Schlägen, die das Reich im Norden auf dem böhmischen Kriegsschauplätze trafen, das Gegengewicht bieten. Es war eben eino zu überwältigende Majorität, die sich gegen Österreich ver- schwor. So mußten die Früchte jener Siege zunichte gemacht werden. — Dio Abtretung Venetiens an Italien schloß die Kette der Begehrlichkeiten Sardiniens und der Austritt Österreichs ans dem deutschen Bunde eröffnete Preußen die Möglichkeit, seine Vorrangs- Stellung unter den Bundesstaaten dauernd zu begründen. Es waren harte Zeiten und bittere Lehren hatte der Krieg gezeitigt. Doch die schwere Zeit fand ein starkes Geschlecht und einen ungebeugten Regenten. Man befolgte unter der tatkräftigen Anleitung des Kaisers alle jene Winke auf militärischem Gebiete,

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