39. Jahresbericht der k. k. Staats-Oberrealschule in Steyr, 1909

— 51 Kaiserbüste, umgeben von Blomen und Strauchgruppen, zeigte. Hier versammelten sich die Studierenden und der Lehrkörper. Mächtig erklang alsbald aus 120 jugend ­ lichen Sängerkehlen der „Fest eher “ von Günzel. Nachdem dieser verklungen, brachte der Schüler der I. Klasse Karl Auer das Gedicht „Habsburgs Mauern “ von Simrock, der Schäler der II. Klasse Max Narbeshuber „Rudolf von Habsburg “ von Poccy-Görres, der Schüler der IIT. Klasse Alexander Scheiner „Deutsche Treue “ von Fraungruber und der Schüler der IV. Klasse Otto Gall „Auf der Martinswand “ von Kuk zum Vortrage. Hierauf hielt Professor Dr. Emmerich Pillewizer folgende Festrede: Sehr geehrte Kollegen! Liebe studierende Freunde! Wenn es als selbstverständlich gilt, daß sich die studierende Jugend stets in die ersten Reihen jener stelle, die patriotische Feste in würdiger Weise begehen, so ist dies in noch höherem Grade natürlich, wenn es sich um ein Fest handelt wie jenes, das zu begehen wir uns heute anschicken. — Mächtig ist das Gefühl, das in dem Herzen eines jeden von uns für seine Heimaterde lebt; mächtig muß aber dann auch das Gefühl sein, das uns für den linker und Leiter der Geschicke dieser Heimatserde beseelt, für den Monarchen dieses großen und schönen Reiches; und dann gar, wenn uns der Regent dieses Staates in so ehrfurehtgebietender Gestalt des greisen Fürsorgers für »ein Volk entgegentritt, wie unser Kaiser, der durch nun schon 60 Jahre ungebeugt von der Last des Alters und unentwegt, das Steuer des Staatsschiffes die Bahnen lenkt! 60 Jahre! Nur wenige wird es geben, die sich eines anderen Herrschers in Oester ­ reich als Franz Josefs entsinnen können. 60 Jahre! Welch eine Menge von Erfahrungen, welche Summe von Lebensklugheit muß solch eine Fülle von Jahren, verbracht mit dem schwersten und verantwortungs ­ vollsten Geschäfte eines Herrschers über Millionen, geben ; und welch eine Fülle von Glück und Unglück, Tagen voll Wonne und Freude, Horrscherstolz und Ruhm im Wechsel mit solchen, die das Reich hart am Rande des Verderbens sahen, die Schlag auf Schlag brachten, mag es da gegeben haben! Wenn wir das Leben eines gewöhnlichen Mannes, der über eine so stolze Reihe von Jahren wie unser Kaiser zurückblicken kann, über ­ sehen, so schließt es schon unendlich viel Schönes und Erhabenes und unendlich viel Leid und Schmerz in sich. Dann erst das Leben eines Regenten, der einsam auf der Höhe seines Thrones ausharren muß! Das ist es ja gerade, was die Unnahbarkeit und gewaltige Größe der Persönlichkeit des Herrschers ausmacht, daß er gleichsam auf einem von der Flut des Lebens umbrandeten Felsen nichts anderes ab das eine Ziel vor Augen haben darf, das Wohl seiner Völker. Österreichs Herrscherthron ist der ehrwürdigste von ganz Europa. Durch 6 1 /» Jahr ­ hunderte beherrscht ein und dieselbe Dynastie dieses weite Reich und hält mit starker Hand die widerstrebenden Völker zusammen. In einer Zeit, die erfüllt war mit Stürmen, in denen das Ende dieses Staates gekommen schien, mußte Kaiser Franz Josef die Regierung übernehmen und sie forttühren durch mehr als ein halbes Jahrhundert. Es war ein weltgeschichtliches Ereignis, als am 2. Dezember 1848 »ich der ganze Hof mit dem Kaiser Ferdinand an der Spitze und alle Staatswürdenträger und die an ­ wesenden höheren Beamten und Militärs im sogenannten Thronsaale der Olmützer fürst- bischöflichen Residenz versammelten und aus dem Munde des Regenten seine Abdankung entgegennahmen! Minister Furt Schwarzenberg verlas die auf die Uebertragung der Regierung auf den Erzherzog Franz Josef bezughabenden Staatsakte. — Von den auf ihn rinstürmenden Gefühlen über mannt, näherte* sich der jugendliche Herrscher — er war erst 18 Jahre alt — »einem kaiserlichen Oheim und bog vor ihm das Knie. Der hob »eine Rechte und legte sie wie segnend auf das Haupt Franz Josefs und sprach: „Gott segne Dich, sei nur brav, der Herr wird Dich schützen ! “ Damit trat der junge Kaiser hinaus ins Leben, das hart und rauh ihn angriff. Aber in seiner Seele lebte ein sprudelnder Boni von Jugendkraft und Selbstvertrauen, der auch seine Umgebung mitfortriß und alle, die ihn kannten, mit Hoffnung erfüllte, daß in diesem Maune dem bedrohtem Vaterlande eiu Retter erwachse. Unendlich war da» Vertrauen, das der junge Regent in die Mitwirkung aller Völker und jedes einzelnen seiner Berater hei der Erneuerung des Vaterlandes setzte. Kein geringes Werk war es, das seiner Vollendung harrte. Auf den Grundlagen der Freiheit, der Gleichberechtigung aller Völker und der Gleichheit aller vor dem Gesetze, sowie der Teilnahme der Völker an der Gesetzgebung sollte ein neues Österreich erstehen. Doch war kein Erfolg zu erwarten, so lange die Kriegsfackel in den österreichischen Ländern glühte. — Im lombardisch-venetianischen Königreiche und in den Ländern der Stephanskrone tollte der Kampf. In dein einen galt es, den übertriebenen nationalen Aspirationen des Italienertunis, da» von Sardinien gehetzt wurde, entgegenzutreten, in dem 4*

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