39. Jahresbericht der k. k. Staats-Oberrealschule in Steyr, 1909
— 15 III. Klasse, wöchentlich 4 Stunden : Sprachlehre: Zusammenhängende Behandlung der Wortlehre (Wortbiegung und Wortbildung) und der Lehre vom einfachen Satze, wobei auch die Mannigfaltigkeiten und Schwankungen des neuhochdeutschen Sprachgebrauches zu berücksichtigen sind. — Übungen zur Schärfung des Sprachgefühles, die, auf die III. und IV, Klasse verteilt, auch gelegentlich des Lesens vorzunehmen sind: fest gewordene bildliche Redensarten, Personen- und Ortsnamen, Homonyma und Synonyma, Hinweise auf Unterschiede zwischen Volks- und Schriftsprache, Lehn- und Fremdwörter, Volks etymologie, Ausgewähltes aus der Bedeutungslehre. — Lesen: Zu dem bisherigen Lesestoffe treten einfache lyrische und größere epische Gedichte, kurze Beschreibungen (Schilderungen) als Muster für die Aufsätze, umfangreichere, klar gegliederte Erzählungen. Näheres Eingehen auf Gedankenverknüpfung und sprachlichen Ausdruck. — Biographisches über bekannte Verfasser. — Auswendiglernen und Vortragen. — Sprechübungen: Kurze, vorbereitete, gelegentlich auch unvorbereitete Versuche vor der Klasse und zwar Erzählungen, Inhaltsangaben, Berichte über Selbsterlebtes u. dgl. — Schriftliche Arbeiten: Schulübungen nach Bedarf und Ermessen, insbesondere als Vorübung für neue Darstellungsformen, bevor sie als Schul- oder Hausarbeiten gegeben werden. Im Semester 4 Schul- und 2 Hausarbeiten. Beschreibungen (Schilderungen) verschiedener Art, Inhaltsangaben, auch stilistisch freie Bearbeitung von Stoffen aus der fremd sprachlichen Lektüre. IV. Klasse, wöchentlich 4 Stunden : Sprachlehre; Zusammenhängende Behandlung der Lehre vom zusammengesetzten Satze unter Berücksichtigung der Mannigfaltigkeiten und Schwankungen des neuhochdeutschen Sprachgebrauches wie in III. Analyse und Aufbau von Satzgefügen und Perioden. In organischer Verbindung damit die Lehre von den Satzzeichen (Interpunktion). Übungen zur Schärfung des Sprachgefühles siehe III. Klasse. Lesen wie in III, inhaltlich ausgedehnt auf einfachere Abhandlungen und etwa eine längere passende Erzählung aus der neueren Literatur und Stücke aus Homers Odyssee. Das Wichtigste aus der deutschen Verslehre, wobei in erster Linie das hörende Erfassen der Eigenart der Verse zu pflegen ist. Anfänge zur Charakterisierung jener Dichtungsarten, die den Schülern schon aus einer größeren Zahl von Mustern bekannt sind und deren Eigenart klar ausgeprägt ist. — Auswendiglernen und Vorträgen. — Sprechübungen wie in III. — Schriftliche Arbeiten: Anzahl wie in III. Themen im Anschlusse an den Lesestoff (auch den fremdsprachlichen); Abhandlungen einfachster Art; Erzählung veranschaulichender Beispiele zu Sprichwörtern und Sinnsprüchen u. dgl. — Muster bat das Lesebuch zu bieten. Oberstufe. Lehrziel: Vertiefung des sprachlichen Könnens in Wort und Schrift; anzustreben ist neben Richtigkeit auch Gewandtheit, Anschaulichkeit und freie Natürlichkeit im Sprechen und Schreiben; gründliche Auffassung im Lesen. — Ergänzung der Sprachlehre durch Einblicke in die Entwicklung der deutschen Sprache. — Überblick über den Entwicklungs gang der deutschen Literatur bis nahe an die Gegenwart, möglichst im Zusammenhänge mit der allgemeinen Kulturentwicklung. Auf eigenes Lesen gegründete Kenntnis des Bedeutendsten ans der deutschen Literatur; daraus sich entwickelnder Einblick in die verschiedenen poetischen und prosaischen Kunstformen. Als Höchstziel: Anbahnung eines echten, warmen persönlichen Verhältnisses der Schüler zu den Werken der Dichtkunst. V. Klasse, wöchentlich 3 Stunden: Literaturgeschichte: (An der Hand eines von rein historischem Standpunkte abgefaßten, für alle Klassen der Oberstufe bestimmten Leitfadens) von den Anfängen bis einschließlich Wieland, mit näherem Eingehen dort, wo die Lektüre von Originaltexten sich anschließt. — Lesen, nach dem Lesebuche: a) Aus wahl aus dem Nibelungenliede in Übersetzung oder, wo die Verhältnisse der Schule cs gestatten, im Urtext: Inhaltsangaben der Gudrun und einzelner höfischer Epen. — Kurze Auswahl aus dem Minnegesang und der Spruchdichtung, insbesondere aus Walther von der Vogelweide im Urtext oder in der Übersetzung. Nach Schluß der mittelhochdeutschen Lektüre kurze, zusammenfassende Betrachtung der wichtigsten Unterschiede von Neu hochdeutsch und Mittelhochdeutsch. Volkslieder. Proben aus Hans Sachs. Kurze Proben aus dem Messias. Oden Klopstocks in knapper Auswahl ; Wielands Oberon in Bruchstücken mit verbindender Inhaltsangabe, h) Zeitlich nicht gebundener Lesestoff, der Reife und dem Interesse der Altersstufe angepaßt (als Anhang des Lesebuches): Aus der neueren und neuesten Literatur aasgewählte Balladen, 'Romanzen und poetische Erzählungen, Proben mustergültiger moderner Prosa zum Teil geschichtlichen, zum Teil naturwissenschaftlichen Inhalts. Stücke aus Homers Ilias. — Sprechübungen: Nach Tunlichkeit in der Woche einmal kurze freie Berichte in der Dauer von etwa 10 Minuten über Gelesenes und Erlebtes. — Aufsätze ü im Semester, 3 Schul- und 2 Hausarbeiten; die Arbeitszeit für Schul arbeiten kann auf zwei Stunden ausgedehnt werden. VI. Klasse, wöchentlich 3 Stunden: Literaturgeschichte von Lessing bis zu Schillers Tod. — Lesen, nach dem Lesebuche: a) Lessing; Herder, Sturm und Drang,
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