36. Jahresbericht der k. k. Staats-Oberrealschule in Steyr, 1906

8 lede ist, gerade wie einem, der des do~ndon Waldes gedenkt, in dem er einmal 1aeh langer Wanderung die erwünschte Robe gefunden bat. Denn Stifter bat wie ,einer die Natur gekannt und geweckt, ist in die Geheimnisse des Hochwaldes ein- redrongen, bat die Heidestimmong aufgefangen, bat es •erotanden, Eis und Schnee :u beleben und in beseelen und der stummen, lauUesen Greflarligkeit Sprache gegeben. Stiftors Leben verlief in seinen lußeren Umrissen ruhig und bürgerlich. Im {em des deutschen Böhm•rwaldes, im Städtchen Oberplan, wurde Pr am 23. Oktober l805 als Sohn des bürgerlichen Webenneisters, Flachs- und Oetreidehlndlers Johann ltifter geboren. Karg und ärmlich war das Vatorbaus, besendero als dem l 2jAhrigen {nahen der Vater entrise,n wurde. Freilich bliob ihm dafür seine Mutter, die or ,einen rinorgriindlicben Seo •on Liebe• nannte. llit 18 Jahren kam Stift.er an das }ymnasium in Kremsmünster, wo er unter aosgezeiehneton Lehrern bald der erste ieiner Klasse ll'llrde und blieb, bis er mit 21 Jahren an die Wiener Universitl.t kam, ro er ooinem jugendlichen Übermut mehr Rechnung tragen konnte als in dem st.rengen fremsmünster. Durch Stundengeben brachte sieb Stifter zwar mühsam, doch genügend ·ort und lebte außerdem seinen natorwissunschaftlichen Noignngen und seinen Studien n der Malerei. Wie später in der Dichtung, fesselte ihn in der Mal erei vornehmlich lie Landschaft; auch malte er gerne Allegorien . So sollte eine römische Ruine die , Vergangenheit" vorstellen, ein griechischer Tempel die „Heiterkeit", strömendes iVasser die „Bewegung", eine Berglandschaft die „Feierlicl1keit"; in ähnlicher Weise aalte er die „Sehnsucht", dit, ,,Schwermut", die „Ruhe", und gab sich dieser Kunst nit bingobungs,nllem Eifer bin . So kam die Zeit heran, da sieb Stifter eineu festen Lebensplan entwerfen mußte; ,r reichte deshalb um mehrere Lehrstellen für lllatbematik und Naturgeschichte an ilittelscbolen ein; aber er bekam sie nicht, da ibm die mündlichen Prüfungen fehlten. In diesem Zeitpunkte kam nun ganz unerwartot die dichterische Begabung Stifters :um Vorschein, die ihn rasch auf die Höbe des Ruhmes brachte. 1840 erschien des )ichters ,Kondor•. Schon die,e kleine Erzählung zeichnete sich weniger durch die nhaltlicbe Gestaltung als vielmehr durch eine prachtvolle Schilderung einer Auffahrt les Ballons ,Kondor" aus. In erhöhtem Maße wurde die Gabe des Dichters, der oblosen Natur Leben 10 verleiben, in den 1841 erschienenen ,Feldblumen• sichtbar. )ie Vorzüge der Slifterschen Darstellungsweise •Jtringen schon hier ebenso ins Auge vie seine Fehler. Denn , so großartig auch seine Schildernngen sind, sie wirken schon ,io r lähmend auf die Handlung. .Aber darin ist sieb eben der Dichter 10 seinem lorteile vom Anfang bis zum Ende getreu geblieben, daß "' an das Unterhaltongs- 1edürfnis se iner LC'Ser keino Zugeständnisse waclit. Schon hier haben wir stiUen ~rieden J.es Feldes und. des Waldtis und der Dichrer nrscbmäht es, seinen \Vald lurch b unte Lampions vtrschönern zo wollen. Mit den ,Studien•, die von 1844 bis 1850 erschienen, hat der Dichter sieb ndgültig den ibrn gebübronden Ehrenplatz unter den Zeitgenossen gesichert. Um dem ,un berühmten Dichter auch einen Wirkungskreis und ein Ami r.u geben, das ibm ,nd dem er Ehre machen könne, wurde ibm 1850 der Titel eines Schulrates und der tang eiues Land•sscbulinspektors in Österreich unter der Enns verlieben; diese Stellung ·ertauischto er unmittelbar nachher mit der gleichen in Oberösterreich, wo er seinen ·eliebten Bergen und Wäldern näher sein konnte. Hier entfaltete er eine segensreiche 'ätigkeit auf dem Gebiete des niederen Schulwesens, allerJings auf Kosten seiner Ji chtong. Zwnr g,>lang es ihm noch 1853 , seinen dichterischen Ruhm durch ei n 1eoes Werk , die „Bunt-en Steine", zu befestigen, sogar z.u erhüben, allein die einzelnon 1 :r1.iU1lungen dieser Sammlung waren sämtlich fertig, ehe er nach Linz kam ; seine ,inzer Werke abor: ,Der Nachsommer" oo~ "Witiko" zeigen einen bedenklichen llii ck- chlag. In reicher und anerkannter Arbeit verbracl,le Stifter soin Leben, bi s er 1865 .ls Hofrat in don Ruhestand versetzt wnrde. Kanm Jrei Jahre lang aber konnte •icl1 ,t,ifter der Ruhe erfreuen, denn schon Anfang 1868 schloß er sein Auge für immer.

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