36. Jahresbericht der k. k. Staats-Oberrealschule in Steyr, 1906
- 19 - in d•n Klöstern. Im ,Cincinatus• preist der Dichter die amerikanische Freiheit im Gegensatze zum europaischen Sittsnverfall. Das lottte dieser Gedichte ist ,Fänf Ostern•. Darin knöpf\ Grän an die Sage an, daß Christus alljabrlicb zu Ostern die Welt betrachtet. Einmal hat er Jerusalems Untergang gesehen, dann die Kreuzzüge, die Herrschaft des Islams, Napoleons Zug und endlich wird einmal am Ostsnnorgeu Friede auf Erden sein. Auch diese Dichtang ist von außerordentlicher Kraft und Schönheit der Sprache und Form. Im Jahre 1887 erschienen die .Gedichte" Anastasius Gn'lns. Sie enthalten die uhlreichen Perlen der Lyrik und auch der Epik des Dichters. Von geradezu uner- reichtem Glanz der Sprache sind seine italienischen Landschat\abilder und seine Schildernngen des Meeres nnd des Strandes. Unenneßlich und onondlich, glänzend, ruhig, ahnungsschwer Liegst du vor mir ausgebreitet, altes, heiliges, ewiges Meer. Auch dem Gobirgo weiß dor Dichter vortre01icbe Bilder abznlauschon. In den folgendon Jahren ist Grän als Verfasser zweier komischer Epen hervor- getreten : ,Nibelnngen im Frack" nnd ,Der Pfatf vom Kahlonberg•. In don ,Nibelongen im Frack" enAblt uns der Dichter die Geschichte des Hertogs Moritz von Merseburg, der einen Riesen sucht, der eine llaßgeigo als Violinö, und einen Zwerg, der eine Violine als Baßgeige s11ielen kann. Der Scherz ist mit großer Reimkunst dnrcbgeführt. In dem zweiten Werke geht der Dichter auf alte Volksbächer zuräck, namentlich auf den ,Pfaffen vom Kahlenberg• von l'hilipp Fraukfarter. Dieses Bncb ist am Ende des 14. Jahrhunderts entstanden. Sein Held ist Wiegaud von Theben, ein Schwänke- schmied, ähnlich dem Pfatfon Amis, dem Neidhart Fuchs nnd dem Eulenspiegel. Anastasius Grän nimmt znerst Wiegaud von Theben vor, !Aßt aber auch Neidhart Fuchs auftreten, den alten Feind der Bauern, der iu Zeiselmanor mit diesen iiewlicb arge Scherze voräbt. Dieser Noidhart Fachs ist aber wieder niemand anderer als der Miuoesänger Nitbart von Ronental, der im Anfange des J 3. ,lahrhnnderts, ungollibr um 1230, in Österreich lebte und der Erfinder der höfischen Dorrpoesie wurde. In spAtereu Lebensjahren bat Anastasius Grän nur uoch als Sammler, Forscher und Übersetzer gewirkt Nach dem so jah erfolgten Tode seines Freundes Lenau gab er dessen Nachlaß heraus; er sammelte krainiscbe Volkslio,ler, übersetzte die engliochen Balladen von Robin llood. Bald nach dem Anbruche der neuen Freiheit verstummte sein Lied fast gAnilich. Ähnlich wie sein Freund und Mitkli.mpfur Lodwig Uhland zog er •ich sowohl von der Dichtung wio auch von der Politik iurück und lebte nur seinen wissonschaftlicbeu Ndgnngcu. J.:rst nach soinoru Tudc orschienen srine lobten Gedicbto unter dt!m Ot\samttitol „Auf der Voranda'". J.;iuo gewisse Schwermut liegt über di~scn Gedichten, aber auch noch immer Ji c alte Kraft. und J,:ntschc 'freue. Prächtig ist darin der Sonetkttukraui „Aus H,·Igoland" uuJ Jio wehmütigen Sonette an Lenau. Dew Prinzen Eugen ist uiu lingoror Uomam. eulmt.nz gowidmut und auch Krain wird nicht vergessen. Namentlich wird auch der tdowoniscbo lJicbter Prnscheru gepriesen, wobei Grün dem Völkerfrieden das Wort redet. Anastasios Grün ist eiue der erfroulichstcu 1-;rschriuungen in der deutschen Literatur. Vou Walter von der Vogelweide führt über Ulricb vou Hutten zn ibm ein Hauch mAnnlichor Kampfesfreudt• . Er sieht wirklich, was er schreibt, er deutet es geistig uru und er grein mit befeneruden Aufrufen den Menschen ans llcrz. Er. der Optimist und ld•alist, bat alle die großen Vmwäliuugcn des 19. Jahrhundert., vorausgeahnt. Es geht so olwas wie Frühlingssturm durch seine Dichtungen; er war Ö$te,rrcicher durch und durch, aber er war auch Dt,otscher, ehrlich, offen und vh•ll cicht auch etwas grob, wo es nottat, daboi aber voll Gemüt und Wiirmc, mit einer gowisscn Weichheit im Gefühl, kormm, mit eiuem Worte: ein Mann.
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