36. Jahresbericht der k. k. Staats-Oberrealschule in Steyr, 1906
- 13 - Ebendieselbe unnatürliche Mischung \'On üllilrlegter Beroebnung und romantischer Leidenscbaflliebkeit zeigen Halms nlehate Dramen ,Der Adept", .Ein mildes Urteil•, .König und Bauer". Abor da di•se Stöcke beute der Vergangenheit angehören und kaum jemals namhaftere Bühnenerfolge antzuweisen hatten, so ist ein nlheres Eingehen darauf dbertlössig. Im Jahre 1842 ist dann dasjenige Drama Halms entstanden, das den Dichter in aller Welt berühmt machte. Das ist .Der Sohn der Wildnis•. Der Stoff in diesem Stöcke ist frei erfunden und nur scheinbar geschichtlich. Als Hiotorgrund ist die griechische Stadt Massilia in Südgallien, das heutige Marseille, gewlhlt, die vou wilden gallischen StJ.mmen, namentlich von den Tektosagen, heimgesucht wird. An der Spitze di•ser Horde steht ein HAoptling namens. Ingomar. Der Waffenschmied Myron aus Massilia wird von den Wilden gefangen genommen und dessen Tochter Partheoia faßt den •;ntseblnß, sieb an Stelle des Vaters iu opfern. Allein sie gewinnt nicht nur die Liebe des Wilden, sondern sie vermag es sogar, aus ibm einen Griechen und Bürger von Massilia in machen. Das Drama setzt sogleich in Massilia ein, und zwar mit einer Werbung des Polydor, eines reichen Bürgers, um Parthenia. Während Polydor noch über den Korb zetert, den er von Partbenia bekommen hRt, beginnt die Handlung mit der Nachricht daß Myron gefangen sei ; Partbenia ist nun bereit, dem Polydor alles zu ge- währen, wofeme dieser ihr nur das Lösegeld für den Vater geben wollte; allein nnu will Polydor nicht. Da entschließt sieb Parthenia, sich selbst al• Lösegeld den Barbaren anzubieten. In Jas Lager der Tektosagen führt uns der 2. Akt, in dem Partbenia ihren Entschluß ausführt, und sieb an Stslle des Vaters als Gefangene anbietet. Zwar will Myron dieses Opfer seiner Tochter nicht annehmen, allein die Toktosagen treiben ihn fort und behalten Partbenia. Partbenia macht non auf den HlupUing Ingomar einen so tiefen Eindruck, daß er sieb gauz sann zu ihren Füßen niedersetzt. Ingomar verlangt zu wissen, wie man bei den Griocben liebe und freie; aber Parthenia weiß darüber nur das alte Lied, das mit den Worten anlllngt : .Mein Herz, ich will dich fragen, Was ist denn Liebe, sag.• .zwei Seelen und ein Gedanke, Zwei Herzen und ein Schlag.• Nachdenklich wiederholt Ingomar di• letzten Worte: .zwei Hel' 1.en und ein Schlag.• Der dritte Aufzug führt uns rasch sum Höhepunkt, dor darin besieht, daß lngomar seinen Gonossen Parthenia abkann und mit ihr in di o Stadt gebt. Di,, übrigen Akts enthalten dio allmAhliebo Veredlung Ingomars und endigen mit der VermAhlung der beiden. So unnatürlich iu Grist 1 ldis der „modern" u11rnrsöh11liche Schluß anmutet, so rein und sicher ist die Wirkung des vorliegenden DramkB. Die Vernrt•iler dor süß- lichen Art Hahns allerdings finden auch an diesem Dra1Da genügsam ansiusotzen. So sagt Richard Meyer : •Hahn iimmert seine Kontrastkomödie inr<·chl, in der ein Tekto- sagen-HAuptli•g, wie aus oi nem Bildorbogen ansgescbnitton, und eine iierlich-franiösisehe Bürgerstochter des alten Massilia den Abstand der KulturrnrbAltnisse durch gegenseiüge Erziehung überbrücken ond zu d('n eino ganze Ount:ration sentimentaler Zuhörer beglückenden Versen gelangen : "Zwei Seelen und ein Gedanke, Zwei Herzen und ein Schlag.• Auch Adolf Stern weist auf dio .eigentümliche Mischung von KAiie und Sinnlichkeit, von Romantik und einem scharfen, ja bitteren Realismus, ron ongesundl•r, weicher, traumseliger Seutimenlalillt und psychologischem Raffinement, von künsllerisehcm Feingefühl und grell"m Ungeschmack", Harteis erklärt Jas Stück für das weichlichsto und am meisten gemachte des Oicbwrs, Prül ß spricht \'On der .Affektation• des Dichters und J.ie zuitgeui',ssiscbe Kritik ,·er.schonte das Drama auch nicht mit ahfällig-on
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