33. Jahresbericht der k. k. Staats-Oberrealschule in Steyr, 1903

XXXIII. Jahres - Bericht der k. k. Staats=Oberrealschule STEYR. Veröffentlicht am Schlusse des Schuljahres 1902/3. Inhalt: 1. Zur Geschichte der lutherischen Stadtschulen in Steyr. Von Professor Dr. Alfred Hackel. 2. Schulnachrichten. Vom Direktor. Steyr 1903. Herausgeber: Die k. k. Oberrealschul-Direktion. Buchdruckerei & Lithographie von E. Haas & Kie., Steyr.

Zur Geschichte der lutherischen Stadtschulen in Steyr. Von Professor Dr. Alfred Hackel. Die Gründung neuer Schulen in Steyr hängt innig mit der Reformation zusammen. Wie allerorten in Deutschland und Österreich hat das Auftreten Luthers und die stille, aber desto erfolgreichere Tätigkeit Melanchthons, der mit Recht den Titel „Praeceptor Germania“ führt, auch in unserer Stadt einen namhaften Aufschwung des Schulwesens hervorgerufen. Dieser Aufschwung äußert sich insbesondere in der Errichtung einer Lateinschule, welche wir als Vorläuferin des modernen Gymnasiums betrachten dürfen. Vor allem andern ist wohl zu merken, daß die Steyrer in vergangenen Zeiten für religiöse Neuerungen sehr zugänglich waren. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts hatten die Waldenser in der Stadt und deren Umgebung großen Anhang gefunden. 1396 und 1397 wurden nach langen Untersuchungen gegen hundert Waldenser im Kraxental verbrannt.1) Auch die Sekte der Wiedertäufer hatte in den Zwanzigerjahren des 16. Jahrhunderts sich in Steyr festgesetzt. Der vielberufene Wanderapostel Johannes Hut hatte im Hause des Bürgers Veit Pfefferl auf dem Grünmarkt Predigten gehalten; doch die scharfen Strafmandate Ferdinands I. hatten eine strenge Untersuchung und 1528 die Hinrichtung von dreizehn Wiedertäufern zur Folge gehabt. Aber selbst nach dieser Tragödie kamen im Laufe des 16. Jahrhunderts noch öfter Rückfälle in die alten Irrtümer vor. Kein Wunder, daß auch Luthers Lehre unter den reichgewordenen und selbstbewußten Bürgern rasch Eingang fand. Für den Reichtum mancher Bürger gibt hinreichend die Tatsache Zeugnis, daß Kaiser Maximilian I., der sich gerne in Steyr aufhielt, in mehreren Fällen die Heirat reicher Bürgerstöchter mit Hofbediensteten erzwingen wollte. 2) Zahlreiche Adelige bewarben sich um Bürgerstöchter; „daherwie Preuenhuber sagt, „die teuflische Hoffart so groß, daß sie nicht gern hören noch wissen wollen, ja sich es fast für eine Schande, Schmach und Injurie halten, wann man sie dessen erinnert, daß ihre Vorelter Burger zu Steyr gewesen“ 1525 und 1526 predigte zur Fastenzeit ein Franziskaner P. Calixtus und griff unter großem Beifalle der Bürgerschaft verschiedene kirchliche Bräuche an. Als er aber vor das geistliche Gericht nach Passau zitiert wurde, zog er es vor, zu verschwinden.) Auch Michael Forster, Konventual von Garsten und Stadtpfarrer zu Steyr, verkündigte bedenkliche Lehren; er wurde zur Niederlegung seines Amtes aufgefordert, blieb aber dennoch, da man besorgte, es könne sich unter der Bevölkerung ein gefährlicher Aufstand erheben. Sein baldiger Tod machte dem unerquicklichen Streite zwischen den geistlichen Oberen und der Bürgerschaft ein Ende. Preuenhuber berichtet ferner, daß 1536 in zahlreichen Landorten und Schlössern in der Umgebung von Steyr Predigten nach der Augsburger Konfession abgehalten wurden, „darzu von der hiesigen Burgerschafft ein grosser Zulauff war“.) Bis 1541 *) Pritz, Beschreibung und Geschichte der Stadt Steyer, Linz 1837, S. 118. 2) Preuenhuber, Annales Styrenses, Nürnberg 1740, S. 189, 199. 3) Preuenhuber, S. 231. 4) Preuenhuber, S. 255. 1*

ist die öffentliche Ausübung der neuen Lehre noch unterblieben, ja am 11. Februar dieses Jahres erließ der Rat noch ein Dekret, in welchem bei strenger Strafe jede religiöse Neuerung verboten ward. „Doch“, sagt Preuenhuber, „es wurde ob diesem Raths Edict nicht gar vest gehalten“.) Schon 1545 begann der Pfarrer Wolfgang Waldner, Konventual des Klosters Garsten, in seinen Predigten gegen Bräuche und Zeremonien der katholischen Kirche öffentlich zu sprechen. Wenn auch vorläufig noch keine Änderung im Gottesdienste vorgenommen wurde, so war doch dies Vorgehen Waldners der Anfang zur Festsetzung des Protestantismus in Steyr. Der Burggraf Hans Hoffmann, der übrigens später selbst zum Protestantismus übertrat, ließ 1547 dem Rat eine Warnung zugehen; in diesem Schreiben gibt er unter anderm den Steyrern zu bedenken, „daß die Stadt Steyer dermassen, und vor all andern, Ihro Königl. Majestät Erb-Lande und Städte, am Königl. Hof und sonsten berüchtigt sey, daß unter allen keine, darinnen Ihrer Majestät ausgegangenen Generalien und Befehlen, die Kirchen-Ordnungen betreffend, weniger nachgelebet, sondern ohne alle Scheu dargegen gehandelt und unverschämt offentlich getrieben werde“.) Aber obwohl es damals nach der Niederlage der Schmalkaldner 1547 um die protestantische Sache übel genug stand, wurde doch der Warnung kein Gehör geschenkt. 1548 heiratete der Pfarrer Wolfgang Waldner, ein Ereignis, welches, wie Preuenhuber sagt, „ein unerhörter neuer Handel in Steyr war; als er vor seine geistlichen Obern nach Passau zitiert wurde, entzog er sich dem seiner wartenden Schicksale durch die Flucht nach Augsburg.) An seine Stelle trat der ehemalige Kaplan Laurenz Twenger, Konventual des Klosters Garsten. Auch er war der neuen Lehre zugetan und führte um 1554 den Gottesdienst nach der Augsburger Konfession öffentlich in der Pfarrkirche ein. 1557 wurde auf sein Betreiben zum erstenmale die Abhaltung der Fronleichnamsprozession unterlassen und als der Burggraf acht Tage nachher dieselbe erzwang, stellten sich nur wenig Leute und von den Zünften fast niemand ein.1) Wann die lutherische Lateinschule in Steyr gegründet worden ist, läßt sich mangels genauer Nachrichten nicht bestimmt sagen; doch dürfte sie im Jahre 1541, als der Rat das Edikt gegen die religiösen Neuerungen erließ, noch nicht bestanden haben. 5) Preuenhuber berichtet uns, daß 1558 der erste lateinische Rektor Andreas Küttner, welcher der protestantischen Religion zugetan war und lange Jahre der Schule vorgestanden, gestorben sei. Sein Grabmal auf dem Friedhofe bei der Pfarrkirche trug folgende Inschrift:) Sistite qui in cursum, pueri lacrimisque rigate hunc tumulum, quoniam membra Cidonis habet, qui teneras mentes multos formavit in annos artibusque ingenuis, et pietate Dei, Illi ac et merito, nomen posthumo, vivat, et in numero stet pia turba tuo. Hie liegt, ihr Knaben, Gott zur Ehr, Der Euch gab etwa Zucht und Lehr. Andreas Küttner, dem Gott gnad, Durch den, der ihn erlöset hat. 1) Preuenhuber 261. 2) Preuenhuber, S. 266. 3) Preuenhuber, S. 267. 4) Preuenhuber, S. 272. 5) Nach den eingehenden Untersuchungen Jaekels über die Vorgeschichte des Frei¬ städter Gymnasiums in dem Jahresberichte 1886, ferner in desselben Abhandlung: „Zur Geschichte der lateinischen Schulmeister in Freistadt“ (III. Heft der Beiträge der österr. Gruppe der Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte, Wien 1900) läßt sich die Gründung der Lateinschule in Freistadt auf 1543 oder 1544 ansetzen. So wohl auch in Steyr. 6) Preuenhuber, S. 273.

Sonst ist uns von Küttner nur wenig bekannt; einiges erfahren wir über ihn aus einem Klagebriefe seines Amtsnachfolgers Thomas Brunner oder Pegaeus, wie er sich nach der Sitte der Zeit gräzisiert nannte. Wir kommen an geeigneter Stelle noch darauf zurück. Über Magister Thomas Brunner (auch die Schreibung Pruner kommt vor) und über die Schulzustände seiner Zeit sind wir etwas besser unterrichtet. Er war aus Landshut in Bayern gebürtig und, wie Preuenhuber sagt, ein „discipulus Melanchthonis hatte also in Wittenberg studiert und wird gerühmt als ein „in seiner Kunst und Instruierung der Jugend berühmter Mann“ In seine Amtstätigkeit fällt die Verlegung der Lateinschule in das ehemalige Dominikanerkloster auf dem Grünmarkt. Am 18. März 1522 hatte einer jener furcht¬ baren Brände gewütet, an denen die Stadtgeschichte Steyrs so reich ist. Auch die im Bau befindliche Stadtpfarrkirche, das Dominikanerkloster, mehrere Stadttürme und Basteien und gegen 55 Bürgershäuser waren dem Feuer zum Opfer gefallen.2) Aus Mangel an Geld hatten die Dominikaner Kirche und Kloster nicht mehr aufgebaut; da übergab 1559 Kaiser Ferdinand I. dem Rate auf eigenes Ansuchen die Brandstätte zum Wiederaufbau, um darauf ein Spital und eine Schule zu gründen. Auch sollten die Steyrer einen Priester zur Abhaltung des katholischen Gottesdienstes besolden und gegebenenfalls gegen Rückzahlung der Kosten dem Dominikanerorden alles wieder zurückstellen. Die Steyrer bauten nun Kirche und Kloster wieder auf, richteten aber den lutherischen Gottesdienst ein und verwendeten die Klosterräume zur Unterbringung ihrer lateinischen Schule.) Damals wurde auch die Spitalkirche von den Protestanten mit Beschlag belegt und ein eigener Prediger dort angestellt. Neben der Lateinischen bestand aber auch eine sogenannte „Teutsche Schule, in welcher Katechismus, Lesen, Schreiben und Rechnen in deutscher Sprache gelehrt wurde. Sie ist also mit unserer heutigen Volksschule zu vergleichen. Wann sie gegründet wurde und wo sie untergebracht war, ist nicht ersichtlich; doch da wir aus einem Bittgesuche des „teutschen Schulhalters“ Wolfgang Perger aus dem Jahre 15704) von seiner mehr als 40 jährigen Dienstzeit an hiesiger Schule erfahren, muß letztere vor 1530 schon bestanden haben. Aus einem späteren Bittgesuche des bisherigen Schulgehilfen Basilius Thierfelder vom Jahre 15895) geht ferner mit Deutlichkeit hervor, daß es um diese Zeit zwei deutsche Schulen in Steyr gegeben hat. Wir werden auf die Verhältnisse dieser Schulen noch öfter zu sprechen kommen. Über die Zustände, welche in der Lateinischen Schule herrschten, erfahren wir manches aus den im Stadtarchive aufbewahrten Bitt- und Gedenkschriften des Rektors Thomas Brunner, die freilich nur dem Zeitraum von 1563 bis 1569 entstammen. Wie auch anderorten, sind diese Schreiben voll von Klagen über die schlechte unsichere Besoldung der Lehrer und über den mangelhaften Zustand der Schule selbst. Über Lehrplan, Stundenzahl und dergleichen erfahren wir aus den Schulakten nichts. Doch haben wir allen Grund zur Vermutung, daß die Steyrer Lateinschule ebenso organisiert gewesen sei wie die übrigen süd- und mitteldeutschen Schulen dieser Art, welche zumeist ihre Anregungen und viele ihrer Lehrer aus Wittenberg, also aus der unmittelbaren Nähe Melanchthons, empfingen. Höchst wahrscheinlich war die Einrichtung unserer Lateinschule ähnlich der der sogenannten Landschaftsschule in Linz, mit welcher ja, wie uns Preuenhuber versichert, die Steyrer Schule gewetteifert hat.*) Es *) Preuenhuber, S. 273. 2) Preuenhuber, S. 218. 3) Preuenhuber, S. 273. 4) Im Steyrer Stadtarchiv. 5) Steyrer Stadtarchiv. 6) Preuenhuber, S. 337. und eine solche schöne Lateinische Schul, in stattlicher Frequenz, sowohl von einheimischen als sonderlich fremden Knaben, Edel und Unedel, anrichteten, dass sie dem Landschaffts-Gymnasio zu Lintz nichts bevor gabe.

sei hier auf die trefflichen Ausführungen Dr. Konrad Schiffmanns hingewiesen, welcher uns über die Landschaftsschule Aufschlüsse gibt.1) 1524 hatte Luther seine Flugschrift „An die Ratsherren aller Städte deutschen Landes, daß sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen“ in die deutschen Lande hinausgehen lassen. Er hatte darin sowohl um der Religion als um des weltlichen Regimentes willen eine gelehrte Bildung, insbesondere in Latein, Griechisch und Hebräisch und im Wort Gottes dringend empfohlen. Wie so oft fiel auch damals dem sanften, stillen Melanchthon die Ausführung der Gedanken Luthers zu. Mit emsigem Eifer verfaßte er Grammatiken und Ausgaben der Klassiker, welche die mittelalterlichen Lateinlehrbücher Donat und Alexander sehr rasch verdrängten. Aus den Schulakten können wir nur entnehmen, daß im „Wort Gottes“, Latein, Griechisch und in der Musik unterrichtet wurde. Wie viel Klassen es an unserer Lateinschule gab, ist nirgends klar ausgesprochen. Brunner spricht in einer Gedenkschrift vom 19. März 1567 davon, daß er „drei collegas besolden und verköstigen müsse. Dazu kam noch der Kantor, der seinen Mittagstisch im Pfarrhause hatte. Später, 1609, wird außer dem Rektor noch ein Konrektor genannt. Es ist mithin nicht unmöglich, daß die Steyrer Lateinschule wie die Linzer Landschaftsschule zuletzt fünf Klassen zählte. Bestimmte Angaben über die Zahl der Schüler werden nirgends gemacht; doch ersieht man aus den Denkschriften Brunners, daß dieselbe schwankend war. So sagt Brunner in der Gedenkschrift vom 4. September 15672), daß die Ursache seines Gesuches um Enthebung von seiner Stelle nicht so sehr seine Kränklichkeit gewesen sei, sondern die „principalis causa eben diese in meinem hertzen sich befunden, daß ich den abbruch, verderben und untergang unserer schuel mit schmertzen angesehen“. Über die Ursachen dieser Abnahme spricht sich Brunner anfangs nicht klar aus; nur so viel ist ersichtlich, daß zur Zeit seiner schweren Krankheit viele Schüler die Anstalt verlassen haben. „Auch meine liebste und fürnemste discipulos, an denen vast meine grösste freud gelegen, hab ich verlieren müssen, sintemal sie eben derselbigen Zeit meiner Auffrichtung und widerholung wenig hoffnung haben hinen, und nicht gar unbillich, einer für den andern, merere gelegenheit zum Studieren gesucht, will schweigen anderer vrsachen, derenthalben vast alle meine privat und kostknaben eine gemaine glockhen, dise schuel zu verlassen, und an andere Ort sich zu begeben, ebenderselbigen Zeit meiner schwachheit, gegossen haben.“ Ferner klagt er in derselben Schrift, „daß die liebe Jugent bey so clar schei¬ nendem Liecht deß heiligen Evangelii von dem Studieren wird abgehalten und der gemeine Man so schimpfflich und spötlich von gueten und notwendigen künsten und Sprachen redet und judicieret. Im Grunde genommen dürften wohl konfessionelle Streitigkeiten, welche die damals ganz von dem protestantischen Ministeriums) abhängige Schule auch betroffen haben mögen, zu dem schlechten Schulbesuch mit bei¬ getragen haben. Fällt doch gerade in das Jahr 1567 der, wie Preuenhuber sagt, „ungelegene und vast ärgerliche Handel zwischen dem Schloßprediger M. Gotter aus Erfurt und dem Stadtprediger Basilius Kammerhofer, die von den Kanzeln weidlich gegeneinander loszogen und in vielen wichtigen Glaubenslehren verschiedener Meinung waren. Um die Verwirrung vollzumachen, traten neuerlich Wiedertäufer auf. Es bildete sich eine Gemeinde bei einem Schuster auf dem Daxberg und eine andere bei einem Schneider in Stein unweit Gleink. *) Das Schulwesen im Lande ob der Enns bis zum Ende des 17. Jahrhunderts. 59. Jahresbericht des Museums Francisco Carolinum in Linz. 2) Stadtarchiv. 3) Das ist der zeitgenössische Ausdruck für das Kollegium der protestantischen Geistlichen. 4) Preuenhuber, S. 282.

Diesmal lief die Sache noch glimpflich ab, da nur einige Ausweisungen stattfanden; doch gestanden die Beschuldigten, daß sie von dem ehemaligen Schloßprediger Reinerus Haller von Amersfort in Holland, der sogar in der letzten Zeit aus Sieben¬ bürgen an sie Schriften geschickt, verleitet und in ihrer Meinung bestärkt worden seien. Brunner vermag es nicht über sich zu gewinnen, jenen Haller einen „verleugnet Mamaluckh, toll und Irrig Schwirmer“ zu schelten und es ihm zur Last zu legen, daß, seit er allhie sein gifft ausgegossen, nicht allein der Lieben Christlichen Jugent, Sunder auch der gantzen kirchen in gemein grosser und Jemerlicher schaden und abbruch ist zugefüget worden, und ist nit die geringste ursach, darumb auch das liebe Almusen, so zur Unterhaltung der Armen auff der Schuel möchte nach jeder guetwilligkheit gereichet werden, in grosse Abnehmung khumen ist In der Denkschrift vom 8. Oktober 1567 gibt Brunner dem Magistrate den Rat, von den Prädikanten die Leute ermahnen zu lassen, daß sie ihre Kinder fleißig in die Lateinische Schule schicken sollen. Diese Bemühungen scheinen Erfolg gehabt zu haben, denn am 9. März 1569 meldet Brunner, daß „sich die Jugent bald widrum gemehret und von vilen Orten Knaben hieher geschickt worden. Wohl mag die Pest, welche 1569 bis 1571 in Steyr wütete, und die darauffolgende Wasserkatastrophe vom Juli 1572 den Besuch der Lateinschule vorübergehend ungünstig beeinflußt haben; doch meldet Preuenhuber zum Jahre 1575 von „grosser Frequenz allhie studierender Jugend“ Die Herhaltung der Disziplin und Ordnung scheint auch zu den Zeiten unserer Vorfahren keine leichte Sache gewesen zu sein. So klagt Brunner 1567 über „die liebe, obwoll strenge und ungezäme Jugent, so nennt sich 1570 Christoph Fraidler, „Teutscher Schuelhalter“ zu Steyr, einen „alten schwachen man, Alls der Ich an mainer Rede, demgleichen an meinem gesicht und plödigkhait maines khopfs, schon in das 35. Jar mit getümel und geschray der Strengen Jugent nit wenig Erlitten Große Schwierigkeiten machte die Unterhaltung der armen fremden Schüler. Auch die Bezeichnung „außlendische Astanten“ wird für sie gebraucht. Die Lage dieser armen Schüler war eine recht traurige. So schreibt Brunner am 4. September 1567 an den Magistrat: „Letztlich so hat es mit den armen zulauffenden schülern ein sehr grosse ungelegenheit, sintemal sie nit allein an teglicher Narung grossen Mangel haben sunder auch keines einigen pfennig, das allergeringest damit zu erkauffen, durch das gantze Jar zu erwarten“. An andern Schulen, sowie in früheren Zeiten auch in Steyr, sei es Brauch, daß die Kleinen täglich von Haus zu Haus um Suppe und anderes betteln gehen und „den majoribus, deren man sunsten zu der Music bedarf, eine gewisse summa gelts praesentieren müssen“ Brunner möchte diesen Brauch hier wieder eingeführt wissen, wenn er sich auch der Schwierigkeiten vollauf bewußt ist. Er klagt, daß man „an vielen vermöglichen Orten gar unbeschadener weiß die armen schüler abfertiget. Mues gleichwoll der warhait und billigkhait nach auch bekennen, das aus etlichen Häusern, deren aber gar wenig sölliches Allmusen gar zu reichlich geraichet wirt, ungeacht das sie offt und villmals ohn mein vorwissen von der unverstendigen Jugent, die ja der gewissen Krippen nachgehet; überloffen und beschwärt werden. Der Ewig Barmherzig Gott wöll solchen Irr wohltaten hie zeitlich und dort Ewig Mildigklichen belonen“. Alle Freitage gingen die größeren Schüler von Haus zu Haus singen. Wahr scheinlich handelte es sich hier wie in Freistadt um das Absingen des sogenannten „Tenebrae“ und „Ingressus Pilatus“, worunter Stellen aus der Passion des Johannes zu verstehen sind. *) Preuenhuber, S. 283. 2) Bittschrift Christoph Fraidlers an den Bürgermeister Sebastian Püschinger, 1570. Archiv der Stadt Steyr. 3) Jaekel, Zur Geschichte der lateinischen Schulmeister... S. 88.

Obwohl, wie Brunner öfters hervorhebt, das Geld, welches aus diesem Freitags¬ singen gesammelt wurde, von Rechts wegen dem Schulmeister und dessen Kollegen gehörte, so haben sie doch freiwillig darauf verzichtet und den Betrag, wöchentlich etwa einen halben Gulden, „in ain püren getan, davon man Inen umb papier, Bücher, Schuech, Item Brott und andere notturfft verhilflich sein soll“. Übrigens wurde auch am Dreikönigstage von Haus zu Haus gesungen und gesammelt. Die fremden Schüler wohnten im Schulhause. Die Stadt stellte die Betten für sie bei. Doch scheint es da oft am Notwendigsten gefehlt zu haben. So stellt Brunner am 8. Oktober 1567 dem Magistrate dringend vor, „es wer von großen nöten, daß man der außlendischen Astanten Bethgewand mit leilachen versehen thet, sintemal von der Zeit an, da man die Beth anfangs auff die Schuel verordnet, gar nichts von leingewand herzukhumen“. Übrigens scheint der Magistrat auch sonst sich der Schule gegenüber großer Sparsamkeit beflissen zu haben. Mehrmals, zuletzt 1571, kurz vor seinem Tode, fordert Brunner Bürgermeister und Rat eindringlich auf, für die nötige „Behulzung“ zu sorgen, da der Winter vor der Türe stehe. An anderen Orten mußten übrigens die Schüler das Holz selbst in die Schule mitbringen. Eine ständige Klage in den Bittschriften Brunners und anderer Lehrer bilden die schlechten Besoldungsverhältnisse. Als Brunner 1558 vom Rate zur Leitung der Lateinschule nach Steyr berufen worden war, erhielt er einen Jahresgehalt von 100 Gulden, die ihm „quattemberlich“ das heißt vierteljährlich, ausgezahlt wurden. Davon sollte er aber noch seine Kollegen besolden. Brunner beschwerte sich bald über diese gar zu geringe Summe. So heißt es in einer Bittschrift vom 19. März 1567: „Wiewoll ich mich nun dieser Besoldung in beysein Herrn Laurentii Twengers seligen in der ersten zwischen uns gepflegten Action beschwert, so hab ich mich doch auff vertröstung Herrn Furtmosers) seligen lassen bescheiden, welcher Also mir zugeredet, Ich wer ein Junger Man, man muste zuvor meinen vleiß sehen“. Erst nach einigen Jahren bewilligte man ihm noch 100 fl. dazu. Freilich hatte damals das Geld den etwa 2½ fachen Wert und eine vielfach größere Kaufkraft als heutzutage. So meldet Preuenhuber, daß im Jahre 1539 laut Marktordnung in Steyr das Pfund Rindfleisch 5 Pfennige (12 h), das Pfund Schöpsenfleisch 4 Pfennige (9 h) kostete. 2) Aber kläglich war diese Besoldung immerhin und zudem nicht einmal eine feste und sichere, da der Vertrag zwischen Magistrat und Schulmeister von Zeit zu Zeit erneuert werden mußte. Daher der Unmut, die häufigen Klagen und Kündigungen, die Brunner und andere Lehrer dem Rate von Steyr gegenüber mündlich und schriftlich vorbrachten. Doch scheint man wenigstens mit Brunner, der mehrmals den Entschluß äußerte, „dem ellenden Schuelregiment“ zu entsagen und in Wittenberg auf das Predigeramt zu studieren, immer wieder ein Abkommen gefunden zu haben. Daniel Moller aus Hamburg, der nach Brunners Tode die Schule eine Zeitlang provisorisch leitete, macht dem Rate den Vorwurf, daß oft ein kleines Dorf seinen Schweinehirten stattlicher abfertige als die Steyrer ihren Schulhalter. Allerdings gab es für den Schulmeister auch Nebeneinkünfte. Was Küttner noch neben seiner Besoldung gehabt, darüber gibt uns Brunner in unverkennbarem Arger, daß es zu seiner Zeit nicht mehr so war, hinreichenden Aufschluß.) Küttner war neben seinem Lehramte noch als Organist tätig, besorgte also auch die Leitung der Kirchenmusik. Außerdem versah er noch die „Turnerey, worunter wohl das Läuten und das Aufziehen der Turmuhr zu verstehen sein wird. Sehr zustatten kam es ihm, daß noch zu Pfarrer Twengers Zeit der Kantor die „Unterhaltung“ auf dem Pfarrhofe hatte, während der neue Pfarrer Wolfgang Prenner (seit 1562) diese Last auf den 1) Bürgermeister 1559. 2) Preuenhuber S. 260. Übrigens traten öfter infolge von Epidemien oder Elementarereignissen Teuerungen ein, so zum Beispiel 1570 und 1571. 3) Denkschrift vom 19. März 1567. Stadtarchiv.

9 Schulmeister überwälzte. Auch sonst scheint Küttner früher noch vom Pfarrer unterstützt worden zu sein. „Was dann dem Khitner“, sagt Brunner, „die Jartäg, weil das laidig Babstumb (sic) hie noch in seinen würden gestanden, teglich in die Kuchen getragen hat, gib ich einem Jeden seinem eigenen judicio nach zu bedenckhen“. Mit Verwunderung hören wir, daß sowohl Küttner als Brunner Weingärten zu¬ gewiesen waren; Küttner soll mit dem Erträgnisse derselben und mit anderem, „was er zu hauses notturft nit bedurfft, unter den raisen an ander ort“ einen schwung¬ haften Handel betrieben haben. Im übrigen scheint Brunner auf manche ihm zukommende Einnahme freiwillig verzichtet zu haben. So betont er unter anderem mehrmals, daß er weder Holzgeld noch Quatembergeld), welches sonst allgemein von den Knaben dem Schulmeister gezahlt werde, verlangt habe. Doch nennt er als Einnahmen die Erträgnisse der sogenannten Rekordationen zu Martini und zu Weihnachten. Wahrscheinlich sangen und sammelten da die Knaben von Haus zu Haus und der Erlös gehörte dem Schulmeister und dessen Kollegen. Brunner beklagt sich auch hier über geringe „Milde der Steyrer Bürger; habe doch der Bürgermeister Furtmoser selbst zu Martini „nit mehr als zehen pfennig, natalis Christi aber einen groschen mitgetailet“. Alles zusammen hätten ihm die beiden Rekordationen nicht mehr als zwanzig Gulden getragen, während ein ehrsamer Rat die zu erwartende Summe auf je 24, zusammen 48 Gulden veranschlagt hätte. Eine gewiß nicht unbedeutende Einnahmsquelle für den Schulmeister bot das Halten von „Privat- und Kostknaben, auf welche Brunner nach seiner eigenen Aussage viel Mühe und Arbeit verwendet hat. Doch beklagt er sich, daß das Geld, welches er hiefür gewonnen, zugleich mit seiner Besoldung für seine und der Kollegen Erhaltung hindurchgeloffen, und ihm kein Pfennig übriggeblieben sei. Daher auch sein inständiges Bitten, der Rat wolle die Besoldung der Kollegen in seine eigene Hand nehmen und ihn von dieser Last befreien. War er ja doch förm¬ lich gezwungen, sich der armen fremden Schüler anzunehmen. Stets habe er aus eigenem guten Willen diese Armen in seiner „khuchen“ verpflegt, ohne von der suppen die faisten herabzunemen, wie der Khitner seliger ist beschuldigt worden“. Unter solchen Umständen ist es nicht zu verwundern, daß Brunner in Schulden geriet. In einem Schreiben, welches er kurz vor seinem Tode an den Bürgermeister Sebastian Pisching gerichtet hat, bittet er dringend um ein Darlehen, um seine Gläubiger befriedigen zu können. „Wollte solches“, schreibt er, „waiß Gott, hundert¬ mal lieber umbgehen, wo nicht die unvermeidliche not auff mir lege und ich auch schon verdientes gelts habhafft werden möchte“. Unter letzterem versteht er Schuldforderungen, die er an einen Herrn Dietman von Losenstein, an einen Herrn Bernfues und an einen Dr. Trainer zu stellen hat. Wieso der Mann bei seinem kärglichen Einkommen sich noch zum Geldborgen verstehen konnte, ist freilich schwer verständlich. Elend genug mag es auch um die Kollegen bestellt gewesen sein. Schon die Unterkunft im Schulhause ließ viel zu wünschen übrig. So stellt Brunner am 8. Ok¬ tober 1567 dem Rate vor, daß die Unterkunft des „jetzigen Bassisten“, also wahr¬ scheinlich eines Gehilfen beim Gesang unterrichte, ganz unzulänglich sei. Diesem sei seine Wohnung im Schulgebäude unter der Erde angewiesen, „welches Zimmer, als dem Wasser zu nahen gelegen, gar schwerlich zu erheitzen: so erfordert die noth, das man von laden einen boden lege, welche uncosten ohn ersparung des Brennholtz leichtlich widerumben mag erstattet werden.“ Trotz der traurigen materiellen Lage, in der Brunner sich befand, hat er doch eine gewisse Frische des Geistes nicht verloren. Dies zeigt seine lebhafte Korrespondenz *) Wohl das Schulgeld.

10 mit ehemaligen Wittenberger Hochschulfreunden und mit Studenten und Magistern der dortigen Universität. Mehrere solcher Wittenberger Briefe sind noch erhalten; sie sind alle in lateinischer Sprache abgefaßt, oft mit dazwischen eingeschobenen griechischen Worten oder Sätzen. Im Oktober 1571 war Brunner zu Tode krank. Im Archiv findet sich noch ein Brief des Schulmeisters Aler aus Ybbs, der in einem Schreiben, datiert vom 29. Ok¬ tober, von dem Kranken rührenden Abschied nimmt. „Mein lieber Bruder Thoma“ so beginnt das Schreiben, „dein krankheit schmertzt mich fürwar hoch, bin gleich a mortuis diese täg auch aufferstanden, on menschen gedanckhen, allein durch die hilff deß Almechtig barmherzigen Gott, der schickhe es mit dir nach seinem gött¬ lichen gefallen!“ Dieser Brief erreichte aber seine Bestimmung nicht mehr, denn am 28. Oktober war Brunner gestorben. Es wurde ihm eine lateinische Inschrift gesetzt, welche folgendermaßen lautete: Hic Thomas sepultus est Pegaeus, optimus virtuteque insignis vir et in omnibus sapiens. Qui in artibus honestis tenerorum mentes formavit puerorum Et divinum feliciter ipsos docuit sermonem. Instrumentum velut utile egregia dona Dei Elaborans plantavit scholam. Scientiaeque bonae magno ipsas plantas fonte Irrigans crescere fecit feliciter. Sicque ex paucis ut servus lucratus est fidelis cum foenore reddens multa talenta Deo. Apud quem modo ingressus est in gaudium et laetatur ipse In schola coelesti eum filio Dei aeterno.) Wenden wir uns nun der sogenannten „Teutschen“ Schule zu! Zu Anfang des Jahres 1567 gab die lutherische Kirchenleitung zu Steyr mit Genehmigung des Rates eine neue Kirchen- und Schulordnung heraus. In kirchlicher Hinsicht wurde empfohlen, den früher gebräuchlichen Kirchenornat beim Gottesdienste wieder einzuführen, „daß die Jugend und der gemeine Mann durch solche Zeremonien in der Zucht erhalten und zu fleißiger Besuchung, größerer Reverenz und öfteren Gebrauch des heiligen Abendmahls erwecket werde.“2) Es wurde ferner eine neue Ordnung für die „Kinder-Lehr“ aufgestellt, die in der Schulkirche, der heutigen Dominikanerkirche, abgehalten werden sollte. Unterschrieben war diese Ordnung von dem Pfarrer Wolfgang Prenner und den Predigern Basilius Kammerhofer, Johann Mülwalder, Magister Johannes Schreyer und Wolfgang Lampel. Letztere beiden werden als „subministri“ bezeichnet. Diese neue Kirchen- und Schulordnung scheint den Anstoß zu einer Umwälzung n der Deutschen Schule gegeben zu haben. Die beiden „subministri“, Schreyer und Lampel, gingen, wie es scheint, in ihrem Eifer zu scharf vor. Schreyer war der Sohn eines Steyrer Tischlers und hatte mehrere Jahre mittels eines Stadtstipendiums zu Wittenberg studiert. Es wird ihm nachgerühmt, er sei ein tüchtiger Prediger gewesen, habe es verstanden, seine Rede wohl zu disponieren und „denen widerparten das maull zu stopfen“.) Schreyer und Lampel haben offenbar dem alten „teutschen Schulhalter“ Wolfgang Perger, der damals schon mehr als 40 Jahre in Steyr die Jugend unterrichtete, mit ihren Forderungen hart zugesetzt. Zunächst bittet nämlich Perger in einer mit zitternder Hand geschriebenen Supplikation, Bürgermeister und Rat möchten ihn in Ansehung seines hohen Alters bei seiner „bisherigen Doctrin und Unterweisung“ lassen. Er unterrichte die hiesige 1) Original im Stadtarchiv. Preuenhuber S. 285. Im Archiv findet sich auch eine griechische Fassung. 2) Preuenhuber, S. 281. 3) Daniel Moller an den Rat. Stadtarchiv.

11 Jugend über 40 Jahre schon im Lesen, Schreiben und „daneben in dem heiligen Gebet Vater unser, den 12 Artikeln unseres christlichen Glaubens, in den zehn Geboten und dem Inhalt des Catechismi“. Zweimal der in Woche muß der Katechismus gelernt werden und die Evangelien „auff alle Feyrtag Daraufhin erhielt Perger vom Rate die beruhigende Versicherung, er werde bei seiner „gewohnten Doctrin und Information der Schüler“ unangefochten bleiben. Doch es sollte anders kommen. Es liegen uns im Stadtarchiv zwei Klageschreiben vor, in welchen Perger und sein Schwager Kolman Leschenprand, „Erbförster an der Forsthub ob der Enns, sich beim Rate über die ungebührliche Behandlung beschweren, die ersterer von Schreyer und Lampel erfahren mußte. Diese beiden hätten ihn mit stolzen harten worten, gleichsam herrschender und gebiet und weiß angetast, fürnemblich Schreyer, dessen ich mich gegen In als meinen gewesenen discipl nit versehen“. Sie hätten stürmisch von ihm verlangt, daß er Sprüche, welche sie „auf ein zedl“ verzeichnet hatten, die Kinder auswendig lernen lassen und dann dieselben zu den kommenden Osterfeiertagen in der Spitalkirche zur Prüfung stellen solle. Auch hätten sie geäußert, daß er die Jugend künftig „auff Ir Condition“, nicht nach seiner „alten Doctrin informieren müsse. Infolge der Aufregung sei Perger sehr krank geworden. Leschenprands Frau habe dann Schreyer in seiner Wohnung aufgesucht, um ihm „freundtlicher weiß Vorstellungen zu machen; aber dieser habe „alda mit harten worten an sy gesetzt und ausdrücklich gesagt, er habe macht und gwalt, solichs mit Ime zu schaffen“. Die geschilderten Ereignisse fallen in den April 1571; es müssen also die Verhandlungen über die Durchführung der neuen Schulordnung ziemlich lange gedauert haben. Zur gleichen Zeit reichte auch der deutsche Schulhalter Christoph Fraidler eine dringende Bittschrift an den Rat ein. Herr Wasilius (der Prediger Basilius Kammerhofer) habe mitgeteilt, „daß er nach Öster den Catechismum im Closter widerumben zu halten vorhabens seye. Dagegen müsse er Einsprache erheben, da es ihm, der sich schon das 35. Jahr trotz „alters und leibsschwachheit mit der strengen Jugent nit wenig abgearbeit und müde gemacht, zu beschwerlich falle, die Kinder dorthin zu führen. Seiner Meinung nach sei es genug, daß die Kinder „alle Mittwochen und Freytag den Catechismum in der schuel recitiern und auffsagen“ und daß sie angehalten werden, alle Sonntage beim Examen in der Klosterkirche wie bisher zu erscheinen. Die Eltern sollen selbst die Kinder dorthin begleiten, denn er selbst könne es nicht leisten und einen Gehilfen könne er sich auch nicht halten, da gegenwärtig die Teuerung zu arg sei. „Zudem so habe ich Jetzo, schreibt er, „in der hochen Teurung wenig schulkinder, darzue den merern thaill nur armer leut kinder, die kaumb ain proth zu kauffen haben und mich jetzo in der schweren zeit (geschweige was sy mir hievor noch schuldig sein) gar nit zu bezahlen haben noch vernügen“. Zu dieser Schilderung stimmt, was Preuenhuber zum Jahre 1570 berichtet. Er sagt: „Es ist eine solche Hungers-Noth gewest, daß die Leuthe Kleyen gemahlen und darunter Sägspähne gebachen.“ Im März 1567 wurde auf Betreiben Kammerhofers für die Deutsche Schule der berühmte Rechenmeister Kaspar Thierfelder gewonnen, von dem uns mehrere Schreiben im Archiv erhalten sind. Sie sind sämtlich mit der größten Sorgfalt und so rein geschrieben, daß sie wie gedruckt aussehen. Thierfelder kam aus Freiberg in Sachsen, wo er infolge der Sterbensläufte, wie er selbst sagt, so viele Schüler verloren hatte, daß er seinen Unterhalt nicht mehr finden konnte. 14 Jahre schon war er im Schuldienst tätig gewesen, seit 8 Jahren unterstützt von seiner Frau, welche die „Maidlein“ unterrichtete. Er bittet deshalb, ihm zwei Stuben anzuweisen, um Knaben und Mädchen gesondert beschäftigen zu können. Auch verlangt er neben seiner Besoldung noch freie Wohnung und Beholzung. Dafür erbietet er sich, die Jugend im Lesen, Schreiben, Arithmetik und Geometrie zu unterweisen.

12 Wahrscheinlich war Thierfelder vom Rate aufgenommen worden, um für die alten Lehrer, die sich in die Neuerungen nicht hineinfinden konnten, einen Ersatz zu haben. Auch sonst finden wir 1578 einen neuen „Teutschen Schulhalter“, Christoph Ulmann, der zugleich mit Thierfelder an den Bürgermeister und Rat in Angelegenheit der Winkelschulen eine Gedenkschrift richtet. Es heißt darin, daß vor zwei Jahren vom Rate festgesetzt worden sei, nicht mehr denn zwei Deutsche Schulen neben der Lateinischen zu dulden. Nun hätten sich aber Privatpersonen herausgenommen, in ihren Häuser unbefugt Knaben und „Dirndln“ zu unterrichten. Als solche Leute werden genannt: „die Kautzhammerin beim Lintzerbeckhen im Steierdorff, desgleichen auch ein Zuckermacher im Eigicht“ (Aichet). Eine dritte Winkelschule befinde sich „in der Fürsten (?) in des Hammerschmiets hauß in einer wiesen gelegen“. Der Rat solle dies Treiben nicht dulden, „dieweil solches Euer Ersam und Fürsichtig Weishait beschlus zuwider, Auch uns, Eur Herrligkeiten Schuldienern zum verderben unserer narung gereicht, die Jugent aber dardurch mehr versembt und in ihrem mutwillen gesterckt wird“. Kaspar Thierfelder war offenbar lang im Amte. Am 11. Dezember 1589 bittet Basilius Thierfelder, sein Sohn, „nachdem er sich aus schickhung Gottes, auch vorwissen und bewilligung der Eltern mit Jungfrauen Anna, des Ersamen Geörgen Bruckners sälligen hinterlassenen Tochter ehrlich verheurat und verpflichtet, um die Bewilligung zur Errichtung einer dritten Deutschen Schule, und zwar in Steyrdorf, „dieweil bey der grossen Menig Jugent allhie drey Teutsche Schuellen nit zuvil“. Er beruft sich auf die Verdienste seines Vaters, der schon das 22. Jahr im Dienste der hiesigen Schule stehe und ihn schon etliche Jahre als „Collaborator“ verwendet habe. Er verspricht, mit Gottes Hilfe der Jugend in christlichem Wandel, Leben und treuer Unterweisung also vorangehen zu wollen, daß ein wohlweiser Rat und ehrbare Bürgerschaft daran ein Gefallen haben sollen. Kehren wir nun zur Geschichte der Lateinischen Schule zurück! Nach Brunners Tode riß große Verwirrung ein. Einige Zeit leitete Daniel Moller aus Hamburg, der unter Brunner „Collega“ gewesen war, provisorisch die Schule. Bald aber verzichtete er auf seine Stelle und begab sich, um seine theologischen Studien zu vollenden, auf die Universität nach Wittenberg, von wo er an den Bürgermeister Wolf Händl mehrere dringende Schreiben um Bezahlung noch rückständiger Summen richtete. Von Wittenberg kam auf die Berufung der Steyrer als Rektor der Lateinschule der Magister Georg Mauritius, ein gebürtiger Nürnberger, der an der Universität außerordentlicher Professor gewesen war.1) Am 8. Juli 1572 wurde Steyr von einer furchtbaren Überschwemmung heimgesucht. Enns und Steyr stiegen an diesem Tage, einem Sonntag, unvermutet zu bisher unerreichter Höhe an. So heftig war der Anprall der Wogen, daß am Tage darauf die Brücken abgerissen wurden und mehrere am Wasser gelegene Häuser einstürzten. Am dritten Tage stürzten zwei Tore und mehrere Türme, ein Teil der Stadtmauer längs der Enns, ferner der rückwärtige Teil des Rathauses und gegen Abend auch das Gebäude der Lateinschule ein. Überall herrschte Schrecken und Verwirrung; glücklicherweise waren die sonst im Schulhause wohnenden Schüler, 60 an der Zahl, noch zu rechter Zeit aus dem wankenden Gebäude geflohen. Man fuhr damals in Kähnen bis über die Hälfte des Stadtplatzes herauf. Diese Überschwemmung hat der Rektor Mauritius „in einer gehaltenen oration“ geschildert; sie möge hier so, wie sie uns Preuenhuber überliefert hat, angeführt werden als Beispiel der wunderlichen Schulmeisterpoesie jener Zeit. 2) 1) Preuenhuber, S. 286. 2) Preuenhuber, S. 286.

13 Nach der Geburt des HERRN Christ, als die Zahl nun herkommen ist, tausend fünfhundert siebenzig zwey, und Julius nun kam herbey. An einem Sonntag Abends spat das Wasser angefangen hat, zu wachsen, grausam, grimmig sehr, daß es war wie ein tieffes Meer. Aus wenig Tage, regnet stett dermassen zugenommen hätt, daß es führt Holz und grosse Baum, die man zweymahl erklafftert kaum. Zugleich die Steyer und Ennß gar dick fürwahr viel manche tausend Stück ein Katz darauf wol hätt künen sein Lauff übers Wasser grünen: Die grossen Aichen sammt der Wurtzl gantz ausgewaschen und im Burz, ins Wasser fielen als umgeschlagen, was machet, war, daß drauß groß Zagen, und Hertzenleid den Leuten kam, Daß alles wegriß der Wasser-Strom; von grossen Buchen auch der Grund, sich mit dem Grieß umkehr begundt. Montags fruh um sechs Uhr ungefehr, die Brucken kamen geflossen her, vorm grausamen der Balcken Gewalt der in der gantzen Stadt erschalt, wie auch denselben gantzen Tag mit vieler Hertzenleid und Klag Städl, Hämmer, Heuser kamen geflossen die jämmerlich waren umbgestossen, daß also mancher armer Man must sehen, wie sein Gut weck ran elendiglich im Augenblick; war das nicht ein erbärmlich Stück? Das Saußn Prauß und grosser Grimm ging nur mit aller Ungestimm, und obs wol wehrt den gantzen Tag jedoch war nicht so groß die Klag noch Schmertzen als den andern Morgen am Dienstag da ging an das Sorgen, dann fielen erst starck Heuser nieder, an manichen Orten hin und wider, das Wasser sah warlich so schüch, als es zuvor war gwesen nie, der Teuffel streckt dran all sein Macht, den Schuler grimmig er nachtracht, doch wehret GOtt sein argen Lüst, daß keinem nichts geschehen ist, in solcher grossen Leibs Gefahr deß seinen nahm ein jeder wahr, sie brachten kaum die Büchlein auß, ohn Ordnung in ein ander Hauß, nicht weit vom Abend es verlieff, das Thor und Schul im Wasser tieff, the fallen gehling, und der Grund weggrissen um die fünffte Stund; Gleichwie ein Aichen lange Zeit am Berg sein Ast hat ausgebreit und außgestanden viel Schnee und Wind, daß ihr gar nichts nit schaden künd, ein Windprauß unversehner Art kam grimmig und die Aiche hart riß aus der Wurz, und ins Thal,

14 gar schrecklich wurf mit grossen Knall daß sich erhub ein groß Getön im gantzen Waldt solt ihr verstehn, noch schadt es nit den Vögeln klein, so drunter hatten gnüstet ein. ich glaub fürwahr das sicherlich, aus GOttes Schickung sunderlich, so gwesen sey, daß durch sein Gnad gantz vätterlich beschützet hat, daß keinem nichts auch nicht ein Haar gekrümmt ist aus der Schuler Schaar: sonst wären ihrer ein grosser Hauff bey sechzig Seelen geflogen auff, so in der Schul wohnten all, übereylt vom bösen Fall, als nun erschollen das Geschrey, daß die Schul umbgfallen sey da war ein Schrecken überall von diesem unversehnen Fall. Zusammen kam der ganze Rath zu sehen diese traurig That, daneben sie befürchten sehr, daß etwan einer oder mehr der Schuler wären da verdorben und jämmerlich im Wasser gestorben ..... Hier bricht in Preuenhubers Überlieferung die Reimerei ab. Erst am 21. November 1575 konnte der Rat die neuaufgebaute Schule wieder der Benützung übergeben. Dies geschah mit großer Feierlichkeit im Beisein des Rektors Mauritius, seiner Kollegen und zahlreicher Studierender. Der Rektor hielt seine „Schöne oration“ und es wurde der Tag der Wiedereröffnung der Schule als Festund Gedächtnistag fortan gefeiert. In der Wertschätzung der Bürger scheint die Lateinschule damals hochgestanden zu haben. Die Inschriften auf den Grabdenkmälern der hervorragenden Bürgerfamilien jener Zeit sind ausschließlich in lateinischer Sprache, meist in Form von Hexametern oder Distichen abgefaßt. Auch der 1569 neuangelegte Friedhof nächst dem Tabor und das 1573 nach der großen Überschwemmung wiederaufgerichtete Neutor tragen lateinische Aufschriften. Freilich, gar rein und fließend sind diese Verse meist nicht, insbesondere wenn sie die in jener Zeit so beliebten Chronostichen in sich aufnehmen mußten. Wolf Händl und Hans Adam Pfefferl, die miteinander verschwägert waren und beide das Bürgermeisteramt bekleidet hatten, schenkten einander silberne Pokale, welche lateinische Inschriften trugen. Es ist bezeichnend für die auch in Bürgerkreisen herrschende Sucht, die Namen zu latinisieren, daß die beiden in den an die Vergäng¬ lichkeit des irdischen Genusses mahnenden Inschriften einander als „Gallus“ und „Pipero anreden. Im Jahre 1576 starb zu Regensburg Kaiser Maximilian II. und mit ihm ver¬ loren die Protestanten in Österreich ihren mächtigsten Gönner. Sein Sohn, Kaiser Rudolf II., war ihnen viel weniger gnädig gesinnt und nahm insbesondere an ihrem selbstbewußten Wesen Anstoß. Bald begann sich die Regierung des neuen Herrscher¬ um die Angelegenheiten der Stadt Steyr in auffallender Weise zu bekümmern. Die Steyrer hatten mit großen Kosten durch den damals hochberühmten Baumeister und Ingenieur Hans Gasteiger aus Tirol die Enns von Hieflau an bis zur Mündung für die Schiffahrt herrichten lassen und dadurch ihren Eisenhandel sehr gefördert. Im Jahre 1583 mußten auf kaiserlichen Befehl sich alle Eisenhändler zu Steyr zur sogenannten Kompanie oder Eisengesellschaft vereinigen, trotz des Widerstrebens und Unwillens einzelner Kaufleute, die um ihre verlorene Selbständigkeit trauerten. 1) Preuenhuber, S. 315.

15 Der wackere Valentin Preuenhuber, unser Gewährsmann, war später Sekretär dieser Kompanie. Nicht geringe Aufregung verursachte auch eine kaiserliche Verordnung vom Jahre 1592, nach welcher in Hinkunft die Ratswahlen stets in Gegenwart einer kaiserlichen Kommission unter Vorsitz des Landeshauptmannes vorgenommen werden sollten. Bis 1609 blieb diese Verordnung in Kraft; meist war der Abt von Garsten Mitglied der Wahlkommission. Endlich gab der Bauernaufstand vom Jahre 1596 auf 1597 den Anlaß, um die schon vorbereitete Gegenreformation ins Werk zu setzen. In diesem sehr gefähr¬ lichen Aufstande, der im Hausruck- und Traunviertel während des Herbstes und Winters wütete, hatte sich die Bürgerschaft von Steyr gegenüber dem Bauernhaupt¬ mann Tasch aus Pettenbach so rühmlich gehalten, daß sie vom Landeshauptmann und den kaiserlichen Kommissären eine Belobung erhielt. Doch vermochte dies Verdienst nicht zu hindern, daß auch die Steyrer von der Gegenreformation betroffen wurden. Im Jänner 1598 wurde den nach Linz gerufenen Bevollmächtigten des Steyrer Rates vom Landeshauptmann im Beisein des Abtes von Garsten und des kaiserlichen Reformationskommissärs Dr. Garzweiller der strenge Befehl erteilt, die protestantischen Kirchen zu sperren und die Prediger abzuschaffen. Alle Bitten und Gegenvorstellungen halfen nichts; heftige Straßenszenen und langes Zögern verschlimmerten nur noch die Lage und endlich im Jänner 1599 zogen der Pfarrer Wolfgang Lampel und die Prediger M. Joachim Müller, M. Balthasar Richter und Andreas Renmann bei großer Kälte und unter dem Klagen der Bürger mit ihren Familien in die Fremde hinaus. Die gewaltsame Wiedereinführung des katholischen Gottesdienstes in der Stadtpfarrkirche hatte neuerdings heftige Szenen zur Folge. Als zum erstenmale wieder Messe gelesen wurde, flog von außen durch das Glasfenster ein Ziegelstein, der den Landeshauptmann beinahe getroffen hätte; ein anderesmal wurde vor dem Pfarrhofe eine förmliche Schlacht geliefert. Bald kam die Reihe auch an die Lateinische Schule. Der Landeshauptmann verlangte „durch unterschiedliche Befehle mit grossem Ernst“ deren Aufhebung. So mußten denn endlich auch die Lehrer ihren Abschied nehmen. Es waren ihrer fünf: der Rektor M. Georg Mauritius, der Kantor Wilhelm Klausner und drei Kollegen: Martin Fischer, Vitus Warmund und Christoph Hartl. 2) Mauritius, der nach seiner Vaterstadt Nürnbergzurückkehrte, hat dem Rate beim Abschiede eine „ansehnliche Valediction“ hinterlassen, natürlich in lateinischer Sprache; doch waren auch ein paar deutsche Reime dazugefügt: Du Edls Steyr, GOtt behiette dich, Du hast ehrlich gehalten mich, In deiner Schooss gepflogen mein Die gantze Zeit, weils hat kün sein, Dein Jugent hab gelehrt ich zwar Nun in die acht und zwanzig Jahr, Jetzt aber alt und fast verdrosen Werd ich ins Elendt nauß gestosen, Doch sey GOtt Danck, der durch sein Gnadt, Mich auch darzu gewierdtigt hat, Daß ich was seinen Nahm zu Ehrn, Soll leiden, thueß auch willig gehr, Für dich Steyer! ich mein Gebett Zu GOtt will richten, früe und spett, Sowohl für alle die GOtt mir, Zu Freundten geben, wie ich spüer, 1) Preuenhuber, S. 325, 326. 2) Pritz, S. 232.

16 Ihr lieben Freundt GOtt Euch behielt, Von Euch ich Urlaub nimm hiemit Und du mein Steyr behiett dich Gott, Gegn dich Gott, rett dich aus Nott.1) Im Jahre 1600 wurden dann die protestantischen deutschen Schulen abgeschafft; es mußten jetzt auch die deutschen Schulmeister Christoph Ulmann und Basilius Thierfelder Steyr verlassen. Ihre Stellen wurden durch Katholiken besetzt. 2) Zwar kamen noch einmal bessere Zeiten für die Protestanten in Österreich, als nämlich der Bruderzwist zwischen Rudolf und Matthias den Ständen alle Macht in die Hände gab. Am 31. August 1608 wurde zur Überraschung und Freude der prote¬ stantischen Bürger in der Dominikanerkirche wieder der lutherische Gottesdienst eingeführt, bald kamen Prediger und die Lateinschule erstand wieder. Der neue Rektor Agydius Weixelberger stammte aus Regensburg, der Konrektor M. Jakob Tydeus wurde von der protestantischen Stadtschule in Horn nach Steyr berufen. Im Archiv ist noch die Reiserechnung für Tydeus und dessen Familie erhalten. Sie fuhren auf einem Schiffe der Eisenkompanie von Krems bis Mauthausen sechs Tage lang; der Weg von da bis Steyr wurde in einer „Gutsch“ zurückgelegt. Kantor war Georg Taubenrakh aus Eferding. Bald stand das Gymnasium derart in Blüte, daß es mit dem landständischen Gymnasium in Linz wetteifern konnte. 5) Von den Schicksalen dieser wiedererstandenen Lateinschule, ebenso von denen der Deutschen Schulen wissen wir bis nun recht wenig; ebenso ist es fraglich, wann sie ihr Ende gefunden haben. Allem Anscheine nach dürfte dies 1624 geschehen sein, als in Oberösterreich, welches damals an Maximilian von Bayern verpfändet war, die Gegenreformation neuerdings aufgenommen wurde. Am 30. August und am 4. Oktober 1624 wurden Erlässe öffentlich bekannt gemacht, nach welchen alle protestantischen Prediger und Lehrer das Land zu verlassen hatten. Am 9. Oktober kam dann die sogenannte Reformationskommission nach Steyr, an deren Spitze der bayrische Landeshauptmann Graf Herberstorf stand. Bürgermeister war damals Joachim Händl und Stadtrichter der später im Bauernkrieg so berühmt gewordene Wolf Madleder. Wahrscheinlich hat die Kommission die Aufhebung des Gymnasiums, an dem die Bürger mit der größten Hartnäckigkeit fest¬ hielten, erzwungen; denn am 10. November wurde die Dominikanerkirche und wahr¬ scheinlich auch das dazugehörige Klostergebäude, welches so lange als Schulhaus gedient hatte, dem Dominikanerorden wieder übergeben. Während des Bauernkrieges, der den Wohlstand der Stadt aufs tiefste erschüt¬ terte, und weiterhin bis zum Jahre 1632 besaß Steyr keine Mittelschule. Am 4. November dieses Jahres eröffneten die Jesuiten, die im Jahre vorher nach Steyr gekommen waren, ein Gymnasium, welches anfänglich nur zwei Schüler zählte. Nach und nach stieg aber die Schülerzahl über 200, so daß an die Erbauung eines eigenen neuen Schulhauses gedacht werden mußte. Die Jesuiten kauften daher zwei dem Kollegium gegenüberliegende Häuser, ließen dieselben abreißen und eine neue Schule bauen, welche 1681 eröffnet wurde.1) Die allgemeine Aufhebung des Jesuitenordens im Jahre 1773 bereitete dieser Anstalt ein jähes Ende, sehr zum Leidwesen der Steyrer Bürger, welche sich dann fast neunzig Jahre vergeblich um eine Mittelschule bewarben. Es wäre sehr wünschenswert, über das Jesuitengymnasium etwas Näheres zu erfahren, doch fehlen leider alle urkundlichen Nachrichten, da die Jesuiten keinerlei Akten zurückgelassen haben. Preuenhuber, S. 326/27. Preuenhuber, S. 327. 3) Preuenhuber, S. 336. 4) Pritz, S. 303.

Schulnachrichten. Veränderungen im Stande und in den Dienstverhältnissen des Lehrkörpers seit Juli 1902. Seine k. u. k. Apostolische Majestät haben mit Allerhöchster Entschließung vom 8. Dezember 1902 den Direktor Edmund Aelschker mit der Rechtswirksamkeit vom 1. Jänner 1903 in die VI. Rangsklasse allergnädigst zu befördern geruht. (L.- Sch.-R., 24. Dezember 1902, Z. 5338). Der wirkliche Lehrer Dr. Alfred Hackel wurde in der Sitzung des k. k. Landesschulrates vom 10. Oktober 1902 unter Zuerkennung des Professortitels mit der Rechtswirksamkeit vom 1. September 1902 im Lehramte bestätigt (13. Oktober 1902, Z. 4166). In der Sitzung vom 19. September 1902 beschloß der k. k. Landesschulrat, dem pensionierten Oberlehrer Ignaz Schmid, der seit dem Schuljahre 1864/65, also 38 Jahre hindurch, an der Realschule als Nebenlehrer der Stenographie erfolgreich wirkte, anläßlich der Enthebung von dieser Stellung für seine langjährige Tätigkeit an der Anstalt und für die Förderung des Stenographie - Unterrichtes daselbst den Dank und die Anerkennung auszusprechen (24. September 1902, Z. 2632). Mit der Erteilung des Unterrichtes in der Stenographie in beiden Kursen wurde der für dieses Fach staatlich geprüfte Realschullehrer Gregor Goldbacher betraut (L.-Sch.-R., 13. Oktober 1902, Z. 4287). Infolge Erlasses des k. k. Landesschulrates vom 7. Oktober 1902, Z. 4248, wurde der zum Reichsratsabgeordneten gewählte Professor Leopold Erb am 14. Ok¬ tober für die ganze Dauer seines Mandates von jeder Lehr verpflichtung enthoben. Seine Vertretung übernahm am 26. Oktober der für Chemie als Hauptfach, für Mathematik und Physik als Nebenfächer geprüfte Lehramtskandidat Dr. Bernhard Batscha, dessen Bestellung zum Supplenten auf die Dauer des Bedarfes mit dem Landesschul¬ ratserlasse vom 3. November 1902, Z. 4629, die Genehmigung erhielt. Seine Überwachung im Lehramte wurde dem Direktor und dem Professor Franz Herget übertragen. Professor Anton Rolleder ist mit dem Erlasse des Herrn Ministers für Kultus und Unterricht vom 30. August 1901, Z. 20.984, zum Bezirksschulinspektor für den Stadt- und Landbezirk Steyr für die Funktionsperiode 190102 bis 1903/04 ernannt worden und so erfolgte seine Stellvertretung an der Realschule, nachdem die wiederholte Ausschreibung einer provisorischen Lehrstelle ohne Erfolg geblieben war, während des ganzen Schuljahres durch einen Supplenten. Da der Lehramtskandidat Hans Langer, der diesen Dienst im II. Semester 1901/02 versah, auf seine Stelle verzichtete, übernahm sie am 24. September der Lehramtskandidat Friedrich Roscher, dessen Bestellung zum Supplenten zunächst für die Dauer des I., dann auch des II. Semesters genehmigt wurde (L.-Sch.-R., 5. Oktober 1902, Z. 4116, und 12. Februar

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