24 derselben, sei es, dass sie lyrischer, sei es, dass sie auch epischer oder dramatische Art waren, durch den Musenalmanach zu fördern, der auf diese Weise ein zeitgemäßer literarisches Magazin wurde und bis um die Wende des vorigen Jahrhunderts als ein nicht zu unterschätzendes Centralorgan für die besten Schöpfungen zeitgenössischer Dichter galt. Die schon früher dargelegten Beziehungen der Göttinger zu Klopstock und ihre ausgeprägte Gegnerschaft zu Wieland, dem poetischen und ethischen Gegenpol Klopstocks, lassen schon die literarischen Tendenzen des Bundes erkennen, und niemand wird es leugnen, dass diese Sympathien und Antipathien zu den oberwähnten ton¬ angebenden und Schule machenden Vertreter der classischen Dichtung für die Wirksamkeit, das Ziel und die Richtung im dichterischen Schaffen der Hainbündler bestimmend waren. Schon der Ursprung des Bundes und sein Ziel waren ein lautes Bekenntnis zu Klopstock und seiner Art und Kunst. In dem Dichter der Messiade, diesem Hauptvertreter antiker Form und antiken Geistes, hatte der Bund das Dichtungs¬ ideal entdeckt, und an und durch Klopstock bildete sich der Bund weiter. Die Tendenzen der Göttinger treten uns jedoch noch klarer vor Augen, wenn wir die Bundesbrüder in ihrer geistigen Werkstätte in Göttingen beobachten, wenn wir einen Blick auf die Dichtungen werfen, durch welche sie die Entstehung ihres Bundes verherrlichten, wenn wir ferner in die Jahrgänge des Musenalmanachs von 1772—1775 Einsicht nehmen, in welchen kostbaren Urkunden von der dichterischen Thätigkeit der jugendlichen Göttinger Dichterschar für uns der beste und sicherste Wegweiser für die Beurtheilung ihrer schöpferischen Leistungen, aber auch für die Charakterisierung ihrer Stellung in der Literatur gegeben ist. Die Winter- und Frühlingsmonate von 1772 auf 1773 waren unstreitig die sangreichsten im Bunde. Nur Lyrisches schenkten die Musen, und Miller und Hölty, Voß und die Stolberge sangen um die Wette. Frisch vom Quell wurden die Lieder dem Bunde zur Beurtheilung vorgelegt. Deutsche Empfindung und griechische Form, gereimte Lieder und dunkle Oden, Originale und Übertragungen wechseln bunt durcheinander ab. Als erster scheint Hölty seine Harfe gestimmt zu haben. Am 16. September 1772 las er sein Gedicht „Der Bund von Haining“ in der Versammlung vor und fand ungetheilten Beifall. Unter dem Segen Eloas und seiner Engel, während die Geister seiner Väter um seine Saiten schweben, beschwört Haining (dies der Name Höltys nach einem Barden Wittkinds) den Bund. Freundschaftsliebe, Liebe zum Vaterland, das Ideale in der Dichtung, das niemanden verderben soll, erklingt aus Höltys Gedicht. Schwächer waren Millers Lieder. In seinem Bundesliede vom 18. September desselben Jahres hebt er hervor, dass sich ein jeder seines Landes durch deutsche Lieder wert machen, fromm leben und warme Freundschaft hegen und pflegen möge. Das von Hahn am 5. December im Bunde vorgelesene Gedicht „Bei der Eiche des Bundes“ ist leider spurlos verloren gegangen. Doch schon der symbolische Titel des Gedichtes enthält einen Hinweis auf die Ideale, deren Träger der Bund war, dessen bedeutungsvolle Epoche mit dem nächtlichen Eidschwur unter der Eiche beginnt. Und Voß, der bedeutendste unter den Bündlern, blieb nicht zurück. In zwei begeisterten Gedichten apostrophiert er die Bundesbrüder. Das eine ist mit dem Titel „An meinen Boie“ (seit 1802 „Die Bundeseiche“), das andere mit „Bundesgesang“ überschrieben. Dort klingt der Schwur an der gewaltigen „Bragoreiche des Vaterlandes“ in der Aufforderung an den Genius des Dichters aus, auf der Bahn der Wahrheit unentwegt zu verharren und zu schauen, was gut und schön sei, und was zum Ather emporhebe von dem Wahn und Gelüste des Erdenstaubes. Weit schärfer und polemischer jedoch ist sein „Bundesgesang“, welcher die Jünglinge, die bescheiden, selbstlos und nur um des sittlichen Wertes der Poesie willen dichterisch schaffen, den französischen Dichtern, den prahlerischen Sängern Lutetiens gegenüber¬
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2