26. Jahresbericht der k. k. Staats-Oberrealschule in Steyr, 1896

22 Erscheinen seiner oberwähnten dramatischen Arbeit sind die beiden poetischen Gespräche „Die Pfandung“ und „Der Besuch um Mitternacht“, beide Stücke mit „We¬ unterzeichnet und im Göttinger Musenalmanach für 1775 abgedruckt. Durch diese beiden Dialoge führte sich Leisewitz als echtes Mitglied des Hainbundes ein; sie tragen ganz das Gepräge des Geistes und der Anschauungen der Göttinger Bundesfreunde an sich. Schon Anfang October 1774 kehrten Leisewitz und die beiden Miller dem fruchtbaren Boden gemeinsamer schöngeistiger Thätigkeit den Rücken und verließen Göttingen J. M. Miller begab sich zur Fortsetzung seiner Studien nach Leipzig, wo er mit Cramer, der schon zu Ostern 1774 aus Göttingen geschieden war, zusammentraf, während sich Leisewitz nach Hannover wandte. Da November 1774 auch noch Voßens geliebter Freund Hahn nach Hause reiste, so waren von den Bundesgliedern im Winter 1774 auf 1775 nur noch Voß, Boie und Hölty beisammen. Es waren thränen- und schmerzensreiche Tage, welche diese Zersplitterung der Göttinger Verbindung im Gefolge hatte, in deren ernsthafter Schilderung Voß der ehrlichen Schwärmerei ein rührend naives Denkmal setzte. Doch auch diese zwei jüngeren Barden, Voß und Hölty, um welche es stille und öde geworden war, die damals beide im resignierten Übersetzungsdienste für den Buchhändler Weygand frohnten, aber nur um das nothwendige Reisegeld zu erwerben, auch sie zog es fort. Ihre Hoffnungen und Wünsche waren auf ein weiteres Zusammenleben und Zusammenarbeiten in Hamburg gestellt. So begab sich denn Voß zu Ostern 1775 nach Wandsbeck in die Nähe des Bundesfreundes Claudius, um hier und im nahen Hamburg seinen Musenalmanach zu gründen, und der kränkelnde Hölty wanderte in sein Heimatsdorf Mariensce im Han¬ nover'schen zurück, woselbst er 1776 während der Sammlung seiner Gedichte starb. Von der Göttinger Bundesschar war nur Boie allein zurückgeblieben, der die Fortsetzung des Musenalmanachs für 1776 seinem Schwager Voß übergeben hatte. Ihm zur Seite standen noch zwei Epigonen: K. W. v. Closen aus Esslingen, ein mit Miller, Hahn und Voß befreundeter Mann, und Ch. Ad. Overbeck aus Lübeck, der Sänger leichter, sinniger Lieder, ein Mitglied des Bundes, obgleich erst seit 1774 mit den Göttinger Dichtern näher bekannt. Was vom Bunde übrig blieb, war jetzt noch ein Schatten, und nur der Zufall wirkte mit, um auch das Ende der Göttinger Zeit vorübergehend durch einen hellen Sonnenstrahl zu verklären. Ende März 1775 war nämlich J. Miller noch einmal zum letzten Abschiede nach Göttingen zurückgekehrt. Im April desselben Jahres erschien unvermuthet und ganz unerwartet Klopstock auf der Rückreise von Karlsruhe, wo er es nicht lange aus¬ gehalten hatte, in der Mitte seiner Verehrer Es war ein Tag hochfliegender Pläne und bilderreicher Träume. Miller begleitete den Dichter nach Hamburg, wo sich, als einige Tage später auch Voß Göttingen für immer verließ und nachzog, ein kleiner Kreis der Bundesglieder zusammenfand, indem sich noch einmal Voß, Miller und die beiden Stolberge um den Meister scharten Es gieng somit in Hamburg ruhig zu Ende, was geräuschvoll und begeistert in Göttingen begonnen hatte. Der Bund hatte sich zwar aufgelöst, aber seine Wirkungen sind geblieben: denn die jugendliche Begeisterung, der ernste Fleiß im dichterischen Schaffen, die ideale Richtung der erregten Geister reiften und veredelten das Talent der Genossen und ihrer Freunde.

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