26. Jahresbericht der k. k. Staats-Oberrealschule in Steyr, 1896

Bündler Kaffee und zündeten sich ihre Pfeifen mit Fidibussen an, die aus Wielands Schriften verfertigt worden waren. Boie, der sonst nicht rauchte, musste sich auch eine anzünden und auf den zerrissenen Idris stampfen. Hernach tranken die Bündler in Rheinwein Klopstocks Gesundheit, Luthers und Hermanns Andenken, auf des Bundes Gedeihen, ferner auf Eberts, Goethes, Herders u. a. Gesundheit Dabei wurde Klopstocks de „Der Rheinwein“ vorgelesen. Nun wurde das Gespräch warm Sie sprachen, die Hüte auf dem Kopfe, von Freiheit, von Deutschland, von Tugend¬ gesang und anderen erhabenen Ideen. Dann aßen sie und unschten, und zuletzt verbrannten sie Wielands Idris und Bildnis. Klopstock, er mag es gehört oder vermuthet haben, bat um eine ausführliche Beschreibung des Tages, der für das geistige Leben des Bundes geradezu als ein charakteristisches literarisches Merkmal gelten kann. Denn die bei dieser Feier geschehene literarische Verfehmung Wielands gab ein beredtes Zeugnis von dem jugendlichen Enthusiasmus des Bundes für jene sitt¬ lichen und vaterländischen Richtungen des Dichtens und des Lebens, welche dieser in Klopstocks Schriften und Persönlichkeit als mustergiltiges Vorbild gleichsam verkörpert glaubte. So hat von den Höhen der Begeisterung der geniale Übermuth der Göttinger in Wieland, dem vorzüglichsten poetischen Gegner Klopstocks, ein schuldiges Opfer ihrer ausschließenden Verehrung und ihres Hasses erblickt, und auch Klopstock, der nüchterne Meister, der die Flamme zuerst geschürt und damals schon wahrnehmen musste, wie dessenungeachtet die wachsende Zahl der Verehrer Wielands seinen Ruhm zu schmälern beginne, musste etwas gegen Wieland unternehmen. Und er that es in seiner Gelehrtenrepublik, worin er gegen Wieland schrieb. Die Festfeier vom 2. Juli dieses Jahres muss als eine hervorragende Mani¬ festation der Wirksamkeit des Göttinger Dichterbundes bezeichnet werden; ja viel¬ leicht noch mehr: man kann diese Klopstockfeier mit Recht eine Art Wartburgfest der Göttinger Freunde, den Gipfel ihrer bardischen Zusammenkünfte nennen. Die Bündler selbst betrachteten aber auch die Feier als eine Demonstration und sorgten dafür, dass die Nachricht von derselben rechtzeitig ins Publicum dringe. Seit jenem Zeitpunkte wurde der Bund als solcher in Deutschland bekannt, fand Freunde, die seine Zwecke förderten, aber auch Feinde, zu deren Abwehr das kräftige Zusammenwirken aller Bundesglieder nöthig war, und dieser Umstand trug nicht wenig dazu bei, die Genossen des Bundes zu zäher Arbeit und fortgesetzter geistiger Regsamkeit anzuhalten. Im Verlaufe des Sommers 1773 war der literarische und gesellige Verkehr des Bundes besonders mit Bürger lebhaft, wenn auch der Amtmann von Altengleichen nicht Bundesmitglied war. Der Schüler Klotzens und Verehrer Wielands, wie es Bürger war, musste dem Göttinger Dichterverein ebensosehr als ein ungehöriges und zum Theile fremdartiges Mitglied erscheinen, als jener kaum wünschen konnte, einer Innung mit sittlichen Rigoristen anzugehören, aus denen die Göttinger Bündler doch bestanden. In dieser Periode des allgemeinen freundschaftlichen und literarisch regen Verkehres unter den Göttingern, der vorzüglich an Boie und dem Musenalmanach, dieser schönen Geistesfrucht der poetischen Innung, seinen Vereinigungspunkt hatte, entstand Bürgers „Lenore“, welche herrliche Ballade der Dichter zuerst stückweise und dann ganz der Versammlung des Bundes zur Beurtheilung einsandte. An dieser Ballade, welche allein hingereicht hätte, des Dichters unvergäng¬ lichen Ruhm zu begründen, hatte Bürger vom Frühjahre bis zum September 1773 mit unausgesetztem Fleiße gearbeitet, und das Studium von Percys altenglischen Ballader und Goethes „Götz“, dieser typischen dramatischen Schöpfung der Sturm- und Drangperiode, durch welche auch die Göttinger zu wahrer Begeisterung entflammt wurden blieben nicht ohne Einfluss auf Inhalt und Gestaltung der dichterischen Schöpfung

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