werden sollten. Daneben besaß jeder Bündler noch ein eigenes Stammbuch, in welches die Eintragungen ebenfalls eigenhändig vorgenommen werden sollten. J. M. Miller war damals Bundessecretär und hatte das Journal zu führen. Der Vorgang war fast immer derselbe. Zuerst las ein Bündler eine Ode von Klopstock oder Ramler vor. Dieselbe wurde hierauf in Bezug auf ihre Schönheiten und Sprachwendungen genau durch¬ gesprochen, und auch der Vortrag des Lesers beurtheilt, wobei Boie, ein aus¬ gezeichneter Vorleser und Declamator, die Hauptstimme haben mochte. Dann kam der Vortrag der poetischen Schöpfung eines oder des anderen Bundesmitgliedes an die Reihe. Nachdem Gedicht und Declamation durchgesprochen worden waren, wurde ein Bundesbruder beauftragt, für die kommende Sitzung eine Recension zu schreiben. Wer diese Doppelkritik glücklich bestanden hatte, fand dann seine Eintragung in das Bundesbuch. Dieses und das Bundesjournal waren mit dem Motto „Der Bund ist ewig ver¬ schen. Im Sturme der Zeit ist das Bundesbuch in Verlust gerathen und trotz alles Nachforschens nicht wieder zutage getreten, während das Journal sich erhalten hat; und es ist rührend, durch dieses Mittel noch einen Blick um ein Jahrhundert zurück in die Werkstätte eines werdenden Stückes Literatur werfen zu können. So hatte der Bund administrativ äußere Gestalt und Vertretung nach außen gewonnen und fieng an, von sich reden zu machen. Und der Erfolg blieb nicht aus: die durch die Bündler in Göttingen geschaffene Pflegestätte geistiger Ideale sollte von den besten Gönnern und Freunden der deutschen Muse nicht unbeachtet bleiben. Dass bald nach dem Entstehen des Bundes die neue Gesellschaft durch den Beitritt einiger hoher Adeliger die gesellschaftliche Weihe empfieng und durch persönliche Freunde Klopstocks mit diesem selbst in Berührung trat, war wohl ein glücklicher Zufall zu nennen. Im Anfange des Wintersemesters 1772 näherten sich nämlich die beiden Grafen Stolberg, Christian und Friedrich, welche von Halle nach Göttingen kamen, durch Boie dem Bunde, und Voß flog ihnen mit ganzer Seele entgegen. Alte Beziehungen zu Cramer und Klopstocks Empfehlungen an ihren Landsmann Boie führte sie in den Dichterkreis ein, welchem sich auch ihr Hofmeister K. Ch. Clauswitz zugesellte. Beide Grafen waren begeisterte Anhänger und Schüler Klopstocks, in dessen Nähe sie auf Seeland aufgewachsen waren, und mit dem sie, wenn sie die Ferien bei der Mutter zu Altona verlebten, täglich verkehrten. Als Kinder schon waren diese Grafen zu Klopstocks Füßen gesessen und, erfüllt von der Verehrung zu dem großen Dichter, trafen sie auf die verwandten Geister der Bündler: auf Cramer, der gleichfalls ein Zögling und großer Verehrer des Messiassängers war, auf Boie, den Freund Herders, dessen enthusiastische Recension der Klopstock'schen Oden das ihrige beitrug, um die Hingabe an Klopstock zu fördern, und andere literarische Freunde. Klopstock und wahr¬ scheinlich die beiden Grafen Reventlow hatten sie an Boie gewiesen, bei dem sie bald Voß kennen lernten. Beide Grafen hatten schon mit großem Glücke den Pegasus getummelt, beide hatten begeistert der Freiheit und deutschen Kraft und Tugend Lob gesungen. Wenn auch dem ruhigeren, älteren Bruder der jüngere an Feuer und Geist sichtlich überlegen war, eines waren sie in ihrem Sinnen und Trachten, sie, die den Göttinger Bündlern wie ein Wunder erschienen Und in der That, was konnte es Überraschenderes geben, als zwei Reichsgrafen, welche, beseelt von Gott und deutschem Geist, den Homer im Original studierten, vortreffliche deutsche Gedichte machten, eine feine Empfindung und ein edles Herz zeigten und dabei wie bescheidene Jüng¬ linge aussahen. Mitte December 1772 wurden beide Grafen feierlich in den Bund aufgenommen, in den fast zu gleicher Zeit Brückner, der Freund Voßens, und K. F. Cramer eintraten. Durch den Beitritt dieser freiheitskühnen und geistbegabten Grafen Stolberg drang noch frischeres Leben in den Bund; denn die hervorragende Stellung dieser beiden Männer aus einem der ältesten deutschen Dynastengeschlechter, durch deren
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