26. Jahresbericht der k. k. Staats-Oberrealschule in Steyr, 1896

12 des Almanach keinen unerfreulichen Eindruck machte, so blieb sie doch auch nicht unbeeinträchtigt von den Angriffen böswilliger Recensenten, besonders von denen aus Leipzig, woselbst gleichfalls ein „Almanach der deutschen Musen“ erschienen war, dessen Redaction von Klotz und einigen Erfurter Freunden besorgt wurde. Doch der zähe Boie wurde dadurch keineswegs entmuthigt, im Gegentheil, gerade diese Concurrenz und dieser Widerstand veranlassten ihn nur umsomehr, neue poetische Verbindungen zu suchen, die alten zu befestigen, um so recht bald eine geschlossene literarische Macht bilden zu können, die im Stande wäre, den Leipzigern den schwankenden Sieg zu entreißen. Und dies ist Boies aufrichtigem und bescheidenem Streben auch glücklich gelungen, denn er behauptete sich mit seinem literarischen Unternehmen vor Kritik und Concurrenz. Als Gotter im Herbste 1769 nach Wetzlar gegangen war, musste es Boie, der nach seines Freundes Abreise den Almanach allein zu besorgen hatte, daran gelegen sein, den Kreis seiner literarischen Bekanntschaften zu erweitern. Mitte December desselben Jahres reiste auch Boie mit dem Sohne eines deutschen Junkers von Göttingen ab. Die ersten Wegstunden verkürzte ihm die Gesellschaft G A. Bürgers, mit dem er seit Gotters Abschied öfters umgieng. Bürger war schon 1768 von Halle nach Göttingen gekommen. Da er anfangs mit Klotz vereint war, dessen lockeres und leichtfertiges Treiben vielen missfiel, hielt sich Boie von Bürger ferne. Erst als es Bürger gelungen war, sich geistig wieder aufzurichten, und als Boie Bürgers ausgezeichnetes poetisches Talent entdeckt hatte, da zog er ihn freundlich an sich, entfremdete ihn freilich nur allmählich jenen früheren frivolen Verbindungen und sorgte zugleich mit Rath und That für ihn. Nach Halberstadt gelangt, machte Boie bei Vater Gleim, dem Protector der deutschen Dichterjugend, eine zweitägige Rast und empfieng daselbst zweifellose Proben des Vertrauens und der freundschaftlichen Zuneigung. Auf Boies Befürwortung unterstützte Gleim, der auf jedes auftauchende poetische Talent lauerte, Bürger in ausgiebigster Weise. Um Weihnachten 1769 kam Boie in Berlin an, wo er schon den ersten Tag seiner Anwesenheit F. Nicolai aufsuchte, der Boie wie einen Freund empfieng und ihm auch die Bekanntschaft mit den übrigen Gelehrten der Hauptstadt versprach. Einige Tage später besuchte er Moses Mendelssohn. Boie war, wie er selbst an seine Schwester schrieb, entzückt von dem kleinen, verwachsenen Mann mit wenig auffallenden jüdischen Zügen, der an Bescheidenheit, Anmuth des Ausdrucks und Gründlichkeit des Wissens seinesgleichen wenige hatte. Den folgenden Tag verbrachte er ganz bei Ramler, „unserem Horaz, wie er ihn damals nannte. Auch hier, wie überall in Berlin, genoss er des besten und freundlichsten Empfanges. So gewann Boie geistige Anregung, Erweiterung seines Gesichtskreises, Menschenund Bücherkenntnis auf allen Seiten. Am meisten aber verdankte er doch Ramler der die fast täglichen Besuche des artigen und eifrigen jungen Mannes gerne sah und mit ihm viel über Literatur, Sprache und Dichtkunst discutierte. Anfangs März 1770 verließ Boie Berlin und begab sich über Potsdam und Sansouci, woselbst er die herrlichen Statuen und Gemälde besichtigte und die Höhe hinter dem Schlosse erstieg wo Ch. C. Kleist einen großen Theil seines von so gefühlvoller Naturanschauung erfüllten Gedichtes „Der Frühling“ abgefasst hat. Sein Führer bei dieser Excursion war ein Officier der Potsdamer Garnison, an den ihn seine Berliner Freunde empfohlen hatten, K. L. v. Knebel, ein Mann, welcher die Poesie unter Kleists Vorbild und Ramlers Anfeuerung eifrig pflegte. An ihm, wie an vielen anderen Freunden, die er sich auf dieser Reise erworben, gewann er eifrige Beiträger zu seinem jüngsten literarischen Unternehmen, dem Musenalmanach, Mitte März 1770 kehrte Boie wieder

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