23. Jahresbericht der k. k. Staats-Oberrealschule in Steyr, 1893

Wir haben gesehen, dass im XI., zum Theil auch schon im X. Jahrhundert, die Construction in eine andere sich zu verwandeln beginnt, wo mehr der verbale Charakter in den Vordergrund tritt und welche der zusammengesetzten Zeitform der Vergangenheit entspricht (ich habe bekommen = recepi); eine Form, welche activen Sinn hat — gleich den zusammengesetzten Temporibus der modernen Sprachen. Wir finden schon im XL Jahrhundert zahlreiche Combinationen, in welchen das participe passe irnveränderlich bleibt, also beispielsweise dem lateinischen: h a b e o receptum (= recepi) epistolam gleichkommen ; Verbindungen, welche allerdings die selteneren sind, deren Vorhandensein aber von niemandem angezweifelt oder gar in Abrede gestellt werden kann. Das Verbum avoir verliert in derartigen Fällen die ihm ursprünglich innewohnende Kraft, die prägnante Bedeutung des Besitzens als solchen und sinkt zum bloßen Hilfszeitwort herab. Es entsteht ein Compromiss zwischen der doppelten Eolle dieses Vorbums — Handlung und Zustand sind die zwei Factoren, um die es sich handelt — und dieser Kampf dauert fort bis in das XVII. Jahrhundert hinein, wo das Schicksal zugunsten der nunmehr geltenden Auf fassungsweise der Conjugatio periphrastica entscheidet. XIV.: Et avoit Ii abbos descouvert sa poitrine pour la grant chalour que il avoit. B. 5. Aufl. 392,33 f: Jehan de Joinville, Histoire de Saint Louis. Et en brief tens Ii venz se feri ou voile et nous ot t o 1 u la veue de la terre, que nous ne veismes que ciel et yaue. idem, ibid. 394,, fi. Et cuidames bien avoir fait plus de 50 Heues et lendomain nous nous trouvames devant icelle meismes montaigne. idem, ibid. 394„5fl:. Que aussi tost comme il avoit fait trois procossions par trois samedis, que diex et sa mere ne lo doüvrasscnt. idem, ibid. 26 ff. XV.: Sire damoysel, nous vous avons chaussees les chausses de fer qui vous environnent les piedz et les jambes. B. 5. Aufl. 488,,, ff.: Perceforest. XVL: C'est une lourde et longue maladie De trois bons moys, qui m'a toute estourdio La pauvre teste, et ne veult terminor. Darm. pag. 181: Clem. Marot. Mignonne, aUons voir si la rose Qui ce matin avoit desclose Sa r0 be de pourpre au soleil, A point p e r d u, ceste vespree, Les p 1 i s de sa rohe pourpree, Et sori teint au vostre pareil.*) ibid. pag. 220: Ronsard. *) Man sieht, dass die Congruenz oft auf Rechnung des Reimes zu setzen ist; denn durch das Anhängen eines „s" bei per du würde die Silbenzahl des betrefienden Verses durchaus nicht alteriert, und doch hat . der Dichter, offenbar weil das erwähnte Particip sich im Versinnern befindet, keine Übereinstimmung desselben mit dem folgenden Objecte eintreten lassen.

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