11. Jahresbericht der k. k. Staats-Oberrealschule in Steyr, 1881

38 und während Regenten und Staatsmänner wechseln, herrscht über Rätien, Noricum und Pannonien als Statthalter und Heerführer der tapfere Generidus, ein Mann von entschlossenem und unabhängigen Sinn. Er hatte seinem Staatsamte entsagt, als ein Dekret die Heiden für unfähig zur Bekleidung eines solchen erklärte; als die Noth Männer suchen hiess, war er nicht damit zufrieden, dass jenes Gesetz für ihn außer Kraft gesetzt wurde, sondern brachte es dahin, dass es aufgehoben wurde. Dann trat er 409 sein Amt an. In den ihm anvertrauten Ländern wusste er volle Sicherheit für die Einwohner herzustellen, die Tüchtigkeit der Soldaten durch anhaltende Uebungen zu erhöhen, ihre Verpflegung zu sichern, den Barbaren, die sich etwa näherten, Furcht einzuflössen. So herrschte er bis 430. An ihn, den heidnischen Soldaten, und an Severin, den christlichen Mönch, knüpft sich die Herrschaft der Römer in Noricum in ihren letzten Zügen gewiss ein recht merkwürdiges Zusammentreffen! Aber weder die heidnische militärische Tüchtigkeit, noch christlicher Glaubenseifer gegen Barbaren angefacht vermochte etwas gegen die jugendkräftigen Germanen. Nach dem Tode des Generidus hören wir von einem Aufstande der Noriker, den Aetius stillt. Derselbe muss 437 Pannonien den Hunnen über lassen, die seit Attilas Alleinherrschaft 444 eine furchtbare Macht im Herzen Europa’s darstellten, vor welchen der Welttheil erzittert. Attilas Züge gegen Gallien und Italien berührten theils das binnenländische Noricum theils giengen sie über Mähren und Böhmen. So blieb das Ufernoricum ziemlich verschont und während Aquileja unter dem Fusstritte des Hunnen herrschers eine Ruine wurde, stand noch unverletzt nach des Gewaltigen Tode das Aquileja am Donaustrande, unser Lauriacum. Nach Attilas Tod und der Auflösung des Hunnenreiches herrschten wieder unabhängig am nördlichen Donaufer, bald auch am südlichen die Rugier unter Königen, die wie alle diese Grenzfürsten nur eine Politik verfolgten, nämlich die Römer um die Wette zu bedrücken. Nur ein Mann vermochte den Römern noch Schutz zu bringen: Severin, „ein höchst bedeutender Geist, der, unterstützt durch seine zahlreichen Verbindungen, die verworrene Lage der Dinge in jenen Gegenden mit einer Klarheit übersah, die den geängstigten Römern, wie den dumpfen Barbaren eitel Wunder däuchte und der oft wirklich mit fast prophetischem Blick in die Zukunft schaute — wie ihn F. Dahn charakterisiert. Als Severin nach Noricum kam, regierte König Flaccitheus, bei welchem der arme Mönch in hohem Ansehen stand; auch sein Sohn und Nachfolger Fava stand in ehrfurchtsvollem Verkehr mit dem Heiligen, wurde aber durch seine Gemahlin Gisa oft von den Wegen der Milde gegen die Römer abgezogen, deren Schutz Severins Hauptsorge war. Sie will die Katholiken zur ariani¬ schen Taufe zwingen, drückt die Provincialen, schleppt sie gefangen auf der Donau zu harter Knechtesarbeit fort und weist Severins Fürsprache voll herrischen Selbstgefühls zurück. Längere Zeit waren die spärlichen römi-

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