11. Jahresbericht der k. k. Staats-Oberrealschule in Steyr, 1881

— 21 die Leiter der Provinzen unter verschiedenen Titeln. Der Leiter der Provinz Ufer-Noricum hatte seinen Sitz wahrscheinlich in Lauriacum als Präses Provinciae, Präsident der Provinz; man betitelte ihn mit „Vir perfectissimus allervortrefflichster Mann, oder „Vir clarissimus — erlauchtester Mann und sprach ihn an mit „Gravitas tua" — deine Wichtigkeit — oder - deine Aufrichtigkeit —, so verlangte es die etikette- „Sinceritas tua" und titelsüchtige Beamtenhierarchie. Die Obliegenheiten des Praeses waren: Entscheidung aller Civil- und Criminalsachen mit dem Rechte über Leben und Tod im öffentlichen Gerichtsverfahren, Schutz der Provinzialen, jährliche Bereisung der Provinz zur Anhörung der Klagen der Unterthanen; Aufsicht über Post), Straßen und Bergwerke, Sorge für die richtige Eintreibung der ausgeschriebenen Steuer, andererseits aber auch Schutz seiner Unterthanen vor Ungerechtigkeiten der Steuerbeamten, kurz er hatte die oberste richterliche und administrative Gewalt in der Provinz. Daher hatte er auch ein zahlreiches Amtspersonale von Beamten — ministri — und Dienern — apparitores; die vorzüglichsten darunter sind der Cornicularius oder Secretär; der Nummularius oder Tabularius, Zahlmeister; der Commentariensis — Aufseher oder Kanzlei Director, dessen Adiutor — Gehilfe, Ab actis — Actuar; Subadjuva — Unterad¬ junkt, Excerptor — Schreiber, die Cohortalini, Amtsdiener und Trabanten U. S. W. Der Amtssitz des Praeses im Hauptorte der Provinz hieß der Secretarium oder Praetorium. Von ihm konnte an den Praefectus Praetorio appelliert werden. Besondere Sorgfalt hatten die Römer von jeher dem Steuerwesen gewidmet, —noch größer wurde dieselbe in der später Kaiserzeit, wo die Staatsbedürfnisse sich ungemein steigerten. Wie noch jetzt die FinanzBezirke mehrere politische umfassen, so war es auch unter den Römern, wo Noricum und Pannonien einen Obersteuereinnehmer in Sabaria — Stein am Anger — hatten, während in Siscia — Sissek — der Sitz des Münz¬ meisters war. Für die ganze Diöcese gab es ferner einen Comes Commerciorum oder Handelsgrafen, dem außer andern Beamten auch die Zöllner unterstanden, und einen Comes Metalli oder Berggrafen zur Beaufsichtigung der Bergwerke. Die Staatsverwaltung liess die Armeebedürfnisse in eigenen Staatsfabriken verfertigen; eine solche war auch die Schilderfabrik in Lauriwelche Leder und Eisen ver¬ cum — fabrica scutaria Lauriacensis, — arbeitete. Die Besteuerung war in dieser Zeit eine drückende. Es gab an directen Steuern die jedes fünfzehnte Jahr katastralisch nach dem Durchschnitts-Erträgnis zu regulierende Grundsteuer — Indictio —; eine Gewerbesteuer von 4 zu 4 Jahren; eine Kopfsteuer und die „Annona“, d. h. *) Noricum bildete mit Pannonien und Moesien einen Postbezirk, dem ein Post¬ meister, Praefectus vehiculationis, vorstand; als niedere Beamte und Diener fungierten Sklaven oder Soldaten.

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