9. Jahresbericht der k. k. Realschule in Steyr, 1879

aufzufassen. *) Dies stimmt aber vorzüglich zum Tone der Klage, die uns den Gram und die Zerstörtheit im Herzen des Liebenden ergreifend offen¬ bart. Wir glauben gerne mit Furnivall,2) dass dieses Gedicht uns cine unglückliche Jugendliebe Chaucer's enthüllt. Es ist wol nicht das erste Werk des Dichters, wie Furnivall meint, 3 dafür ist es zu gut in Form und Styl, aber der ersten Periode dürfte es doch angehören. Sandras *) bemerkt: „La Compleinte de la P'itié se rattache complétement au genre de Guillaume de Lorris.“ Und gewiss der Einfluss Guillaume de Lorris', des Meisters im Zeichnen allegorischer Figuren und in der descriptiven Poesie, ist nicht zu verkennen. Allein Eigentum Chaucer's bleibt die besondere Färbung des Gedichtes, die aufrichtige Wärme, der innige Ton, welche es den besten seiner lyrischen Gedichte anreihen. III. Aetas Prima. *) Das dritte Produkt der Lehrjahre Chaucer's ist eine Lebersetzung des fünften Metrums des Boethius. Sie enthält eine Schilderung der Glückselig¬ keit des ersten Zeitalters, woran sich Klagen über das jetzige schliessen. Das Gedicht besteht aus 8 achtzeiligen Stanzen. Die funfmal geho¬ benen Zeilen reimen nach ab ab be be. Indes hat die sechste Strophe abweichend ab ab bb ab, und in der siebenten fehlt die 7. Zeile. Die Reime dieser Strophe sind: ab ab be — b. Bei dem Vergleiche mit dem lateinischen Originale ergibt sich, dass Chaucer hie und da einen Schnitzer gemacht und Manches hinzugetan hat, vor allem die vier letzten Stanzen. Die Abfassung dieses Gedichtes fällt ohne Zweifel in dieselbe Zeit wie die Uebertragung von Bocthius De Consolatione Philosophia, also um 1380. IV. Compleynt of Mars and Venus.*) Dieses Gedicht zerfällt in zwei Hauptteile: A) in die Klage des Mars, und B) in die Klage der Venus. Während die erstere um das Jahr 1374, nach dem „Parlamente der Vögel“ und vor dem Boethius verfasst ist, ) Vgl. — „Obschon du mich er-chlagen durch Crausamkeit, durch deinen eigenen Feind.“ Das Mitleid tôtet iln doch nicht, wol aber die (eliebte durch ihre Grausamkeit. Val. ferner v. 95, that love and drede you ever lenger more, wo, wie schon Furnivall bemerkt, drede nicht an P'ité gerichtet sein kann, dagegen passt es zu den v. 41 aufge¬ führten Eigenschaften der Geliebten. Dort bedeutet drede: Sie war gefürchtet von Jeder¬ mann, so auch von dem Dichter. 2) Trial Forw. p. 20, Anm. 2. 2) . a. 0. p. 21. *) Etude sur Chaucer, Paris 1859, p. 107. 5) Morris VI, 400. — S. ferner Parall. TText Ed. P. II, Nr. VIII, nach 2 Hs., mit dem latein. Originale und Chaucer's Prosaübersetzung. *) Morr. VI, 260.

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