9. Jahresbericht der k. k. Realschule in Steyr, 1879

15 „Dein Wirken achte ich gering: es ist Unglück! Meinen Freund wirst Du nicht schädigen, blinde Göttin; dass ich Deine Freunde kenne, danke ich Dir. Nimm sie wieder ! Sie mögen in der Presse liegen! Die Geiz¬ hälse, die auf ihren Säcken sitzen, belagerst Du. Falscher Appetit kommt auch vor einer Krankheit: Das mag wol als Regel gelten.“ Du schmähest meine Veränderlichkeit, weil mir nun wieder zurückzunehmen beliebt, was ich Dir von meinem Reichtume mitteilte? Wie kannst Du meine Macht beeinträchtigen wollen? Das Meer hat Ebbe und Flut, der Himmel birgt Sonnenschein, Regen und Hagel; so kann auch ich mich wechselnd zeigen: Das mag wol als Regel gelten. Sieh, die Vollstreckerin der Gottheit, die alles mit Weisheit lenkt, ist was ihr Glück nennt, ihr unwissenden Blinden! Dem Himmel ist sichere Ruhe, der Welt ewig rastlose Arbeit beschieden : Das mag wol als Regel gelten.“ Im Geleite, welches aus 6 Versen mit den Reimen ababab besteht, empfichlt das Glück den Kläger seinen hochgestellten Freunden, damit sie seine Lage bessern mögen. Vorliegendes Gedicht fällt, wenn auch nicht gerade in’s Jahr 1398, wie Furnivall will *), so doch in die letzten Lebensjahre Chaucer’s. Das geht zunächst aus dem Inhalte hervor, der, in Uebereinstimmung mit den übrigen lyrischen Stücken aus jener Zeit, uns den Dichter in materieller Bedrängnis zeigt. Ferner ist das ganze Gedicht durchtränkt mit Sentenzen der Lebensweisheit und Erfahrung, wie sic nur dem Alter eigen sind. Die „Ballade vom ungeschminkten Gesichte“ ist eines der besten, je¬ denfalls das formvollendetste unter den lyrischen Gedichten Chaucer's. Sandras 2) nun sagt darüber: „La ballade etc. donne licu à de fréquents rapprochements avec des passages du Roman de la l'ose, d'une chanson d'Eustache Descbamps intitulée: Comment Franche Volonté peut resister à tous cas, et du Reméde de Fortune. Ainsi Machault avait dit : Tu vois La mer quoie et paisible Aucune fois et puis horrible La vois et pleine de tourment Tout ensi fortune se mue. Chaucer s’est appropié cette comparaison : Thou pynchest at my mutabilité The see may ebbe and flowe more and lesse. ') Trial Forw. p. 7. 2) A. a. O. p. 106.

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