9. Jahresbericht der k. k. Realschule in Steyr, 1879

13 XI. A. Ballade. *) Dies Gedicht schliesst sich seinem Inhalte nach an das vorhergehende an, seine Abfassung dürfte daher vielleicht in dieselbe Zeit fallen. Anfangs gab es rechte Tugend; ihr ziemt Ehre und nicht dem Gegenteile. „All were he mitre, corone or diademe.“ Tugend lässt sich nicht wie Reichthum vererben, Gott verleiht sie nach seinem Dafürhalten. Das ist der kurze Inhalt des Gedichtes. Die Form ist die aller Bal¬ laden: 3 Strophen, deren jede 7 fünfmal gehobene Zeilen zält. Die Reime sind a b ab bcc und bleiben in jeder Strophe dieselben. XII. Ballade sent to King Richard. 2) Am 28. Februar 1394 wurde Chaucer von Richard II. cine lebens längliche Rente von 20 Pfund jährlich bewilligt, und am 4. Mai 1398 stellte ihm der König einen Schutzbrief gegen seine Gläubiger aus. Mit diesen Woltaten steht gewiss unser Gedicht in Verbindung, in dessen Geleite der dankbare Dichter dem König schätzenswerthe Ratschläge erteilt. „Einst war die Menschheit so stätig und standhaft, dass das Mannes¬ wort als Verpflichtung galt; jetzt ist sie so falsch und trügerisch, dass Wort und Tat keinen Glauben finden. Bestechung und Willfärigkeit haben die ganze Welt so verändert, dass alles verloren ist aus Mangel an Standhaftigkeit. 3) Was macht die Welt so veränderlich als die Lust, welche die Men¬ schen in der Uneinigkeit finden? Denn unter uns gilt jetzt ein Mann für tölpelhaft, der nicht durch einen Gegenstreich seinen Nachbarn schädigen oder unterdrücken kann. Also willfärige Schurkerei allein ist die Ursache, dass alles verloren ist aus Mangel an Standhaftigkeit. Die Wahrheit wird bei Seite geschoben und Vernunft als Fabel er¬ klärt, die Tugend ist landlos, Mitleid verbannt, und kein Mensch fült Er¬ barmen. Die Einsicht ist durch Begirde getäuscht, Recht ist Unrecht, Warheit Schwindel geworden, so dass alles verloren ist aus Mangel an Standhaftigkeit. 0 Fürst, Dein Wunsch gehe nach Ehrlichkeit; liebe Dein Volk und hasse Erpressung ; dulde nichts, was, in Deinem Lande getan, demselben Tadel einbringen würde; ziche das Schwert der Züchtigung; fürchte Gott, halte das Gesetz, liebe die Warheit und Würde und führe Dein Volk wie¬ der zurück zur Standhaftigkeit! *) Morr. VI, 296. *) Morr. VI, 292. 3) „That alle ys loste for lakke of stedfastnesse“ — ist der Refrain.

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