7. Jahresbericht der k. k. Realschule in Steyr, 1877

eingebüsst gewiss nicht. Denn die Betrachtung der Gesetzmässigkeit und Ordnung in der Natur, der Einheit in der unendlichen Mannigfaltigkeit, wo jedes Einzelne seinen Zwek, seine Bestimmung hat, damit das Ganze bestehen könne, — führt zu einer sittlichen Weltanschauung. „Schädlich“ also kann das Studium der Naturlehre nicht sein. Es ist aber auch nicht unnütz und überflüssig. Die „alte“ Volksschule — die katholische sowol als die protestantische war wesentlich eine kirchliche Bildungsanstalt, eine Religionsschule im engern Sinne. Die religiösen Disciplinen nebst dem Lesen machten ihr ursprüngliches Lehrpensum aus. Da konnten natürlich die Naturwissenschaften kaum eine gelegentliche, beiläufige Berücksichtigung finden. Dazu kam, dass der Wert naturwissenschaftlicher Kenntnisse für das Volk wenig aner kannt, das exacte Wissen auf diesem Gebiete überhaupt nud also auch unter den Volksschullehrern sehr beschränkt, der Lehrstoff für den populären Unterricht mangelhaft verarbeitet, die Hilfsmittel zur Naturkunde, wo so viel auf Veranschaulichung ankommt, in hohem Grade ungenügend waren. Anders ist es in der neuern Zeit geworden. Die Volksschule hat ihre Bestimmung allgemeiner gefasst und ihren Bildungskreis bedeutend erweitert. Sie soll die Jugend nicht blos für das kirchliche Leben herau¬ bilden, sondern auch für das bürgerliche und allgemeine Verkehrsleben; sie soll alles gewähren, was als die Grundlage einer allgemeinen menschlichen Bildung angeschen wird und was dem Bürger eines civilisirten Staates in unserer Zeit zu wissen nötig ist. Sie hat daher in ihren Unterrichtskreis nach und nach immer mehr Lehrgegenstände gezogen. Wie zum Lesen zuerst das Schreiben und das Rechnen als Lehrgegenstände kamen, so traten später noch solche Lehrfächer hinzu, welche gewisse nützliche Kenntnisse für's Leben den Kindern darbieten sollten; so die Geographie und die Geschichte. Die Xaturwissenschaften werden eigentlich erst in den letzten Jahrzehnten in höherem Grade berücksichtigt und die neuesten Lehrpläne haben ihnen einen bestimmten Platz angewiesen. So sind für die Physik in den 3 oberen Klassen unserer achtelassigen Volks- und Bürgerschulen je 2 wöchentliche Lehrstunden ausgesetzt. Ist es ein Fortschritt der neuern Pädagogik. den Naturwissenschaften in der Volksschule eine höhere Pflege zuzuwenden? Ohne Zweitel. Soll der Volksschule der Charakter einer allgemeinen Bildungsanstalt zukommen, so muss sic ein so wichtiges Objekt, wie die Natur ist. in den Kreis ihrer Lehrgegenstände aufnehmen. Was liegt dem Menschen, welches Standes und Berufes er sein möge, näher als das Bekanntwerden mit der Natur, an die seine Existenz mit tausend unlöslichen Banden geknüpft ist, aus der er keinen Augenblick heraustreten kann, über die er bis zu cinem gewissen Grade Herr werden soll, deren Ordnungen er sich andrerseits unbeding fügen muss und die seinem Nachdenken wie seiner praktischen Thätigkeit ein reiches Feld darbietet? (ewiss, die Natur an und für sich schon ver¬ dient es, und unsere innige Beziehung zu ihr verlangt es, dass die Schule

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