7. Jahresbericht der k. k. Realschule in Steyr, 1877

22 Für das Leben bringt es keinen realen Gewinn, ob der Schüler z. B. sagt, die dem Körper während des Schmelzens zugeführte Wärme erhöht nicht die Temperatur des Körpers, sondern wird gebunden, —oder ob er nach der mechanischen Wärmetheorie schliesst: um einen Körper zu schmelzen, müssen die Moleküle desselben so weit aus einander getrieben werden, dass die Anziehung derselben gegen einander nahezu gleich Null ist; dieses Auseinandertreiben ist eine Arbeit, welche von der lebendigen Kraft der Moleküle geleistet werden muss, welche letztere wieder von der Wärme ihre Nahrung erhält: alle zugeführte Wärme wird also zur Arbeit, nicht aber zur Steigerung der Temperatur verwendet u. s. w. Während endlich der weiter forschende wissenschaftliche (ieist das Bedürfnis hat, wenigstens Vermuthungen über das Wesen der letzten Ur¬ sachen aufzustellen, begnügt sich der Nichtgelehrte damit, die Ursache, die einer Erscheinung zu Grunde liegt, angeben und nennen zu können. Man wird sich also auf der ersten Stufe bescheiden müssen, das Ge¬ setz aufzustellen und höchstens die Naturkraft, welche die Erscheinungen bewirkt, namhaft zu machen. Ein etwas näheres Eingehen in die Hypo¬ thesen bleibe den Oberklassen der Mittelschule vorbehalten. Wenn es nun nach dem, was über den physikalischen Unterricht gesagt wurde, unzweifelhaft erscheint, dass nur die inductive Methode geeignet ist, auf Grundlage von Beobachtungen und Erfabrungen richtige Vorstellungen und Grundbegriffe zu entwickeln, dass also das Experiment den Ausgangspunkt bilden müsse, so dürfen doch die Einwände, die gegen die Experimente in der Schule gemacht werden, nicht verschwiegen werden. Die Experimente, sagt man, stören oft den Unterricht mehr, als sie ihn fördern, indem die Aufmerksamkeit durch die Apparate zerstreut ist und oft gerade von dem abgezogen wird, was durch dieselben gelehrt werden soll: dicse Uebelstände werden noch vermehrt durch die häufige Unge¬ schicklichkeit der Lehrer, die während ihrer Studienzeit vielleicht keine Gelegenheit hatten, selbst Versuche anzustellen. Endlich erfordert die Erhaltung der physikalischen Apparate nicht unerhebliche Geldmittel. Doch alle diese Uebelstände lassen sich. wenn solche überhaupt vor handen sind. leicht vermeiden. Vor allem sorge man dafür, dass auf der ersten Stufe die Versuche so einfach als möglich seien, dass sie ohne grosse Apparate die Gesetze zur Erscheinung bringen. Wir heben den Umstand der einfachen Versuche ganz besonders hervor, weil er sozusagen die Lebensfrage des Physikunterrichtes in der Volksschule bildet. Denn zunächst ist der pecu¬ niäre Vortheil, dass die für die physikalischen Apparate aufgewendeten Kosten wesentlich gemindert werden, nicht zu unterschätzen. Ferner wird durch den Glanz, die Grösse des Apparates die Aufmerksamkeit des Schülers leicht von dem abgezogen, was beobachtet werden soll. Ausserdem erfordern complicirte Apparate eine weitläufige Erklärung des Details ihrer mechanischen Construction, und dabei ist Gefahr vorhanden, dass diese

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