Wenn auch eine der Thätigkeiten immer die determinirende, die ton¬ angebende ist. so sind doch alle drei untrennbar mit einander verbunden, jede derselben hält die beiden andern als lebendige Momente in sich. Soll also der l'nterricht fruchtbar werden, so muss er die Wechselwirkung der Geistesthätigkeiten auf einander festhalten, er muss alle drei anregen: ist er auch zunächst vorzugsweise auf die Erkenntnis des Schülers berechnet, so wird er doch todt, wenn er das Gefühl und den Willen unberührt lässt: er hinterlässt für diesen Fall in der Seele des Schülers ein blosses Gedächt niswerk, das für die Bildung und Erziehung nur einen sehr zweifelhaften Wert hat. (Leider geschieht es noch häufig, dass man den l'nterricht und die Erziehung als zwei gesonderte (iebiete betrachtet, indem der l'nterricht auf die Erkenntnis, die Erziehung auf den Willen und die Empfindung sich beziehen soll, eine Trennung. die schon viel Unheil in der Schule angerichtet hat und immer noch anrichtet. Der wahre l'nterricht wirkt unmittelbar immer auch erziehend, indem er das Gefühl und den Willen des Schülers für das Gute und Wahre gewinnt, das er erkennen lehrt. Daher ist ein guter Unterricht auch zugleich die beste Disciplin. Welch' ein unendlich wichtiger, ja unentbehrlicher Factor der Wille in allem Unterrichte ist. obschon es bei demselben zunächst nur auf die Er¬ kenntnis einer Sache abgeschen ist, darauf werden wir. Lebrer. täglich hin¬ gewiesen. Denn die Grundbedingungen für alles gedeihliche Lernen sind Aufmerksamkeit und Fleiss der Schüler: aber beide Eigenschaften sind Wir¬ kungen des Willens. Auch das Gefühl ist in jeder Erkenntnis wirksam. Es ist eine bekannte Thatsache, dass die Erkenntnis um so fruchtbarer wird, ein je lebendigeres Interesse ich an dem Gegenstande der Erkenntnis nehme: je mehr sich dieses Interesse zur Freude oder gar zum Euthusiasmus steigert. desto mächtiger schreitet die Erkenntnis fort. Ist dagegen das die Er kenntnis begleitende Gefuhl ein widerstrebendes oder unfreies, so wird die Erkenntnis gehemmt. kann sogar ganz aufgehoben werden. Von irgend einem Gefühl ist die Erkenntnis jedesmal begleitet und es ist unendlich wichtig, ob es ein positives oder ein negatives ist. Ein Lehrer. der dem Unterrichte eine solche Form gibt. dass er nicht blos den Verstand, sondern auch das Gefühl anspricht, dass er ein positives Cefühl in der Seele des Schülers weckt. wird Lust und Liebe zum Gegenstande hervorbringen, wird bewirken, dass der Schüler freiwillig sein Ich auf den bestimmten Gegen¬ stand richtet. wird also auch den Willen des Schülers stärken und läutern und gewiss bedeutende Erfolge erzielen. Auf welchem Wege gelangen wir aber zur Erkenntnis eines Gegen¬ standes, einer Wahrheit? — Alle Erkenntnis bewegt sich zwischen den beiden Extremen des Einzelnen und des Allgemeinen. Der Ausgangspunkt in dem Erkenntnisprocesse kann aber ein doppelter sein: entweder wird von dem Einzelnen ausgegangen und von dieser Basis aus durch Verglei¬ chung das Allgemeine gefunden: oder es wird von dem Allgemeinen aus¬
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