3. Jahresbericht der k. k. Realschule in Steyr, 1873

-9- de!I Reiches nnd weite Gebiete am Rhein besaß, welcher neben Böhmen entschieden der mächtigste Reichsfürst Wal', nicht empört werden, wenn er sich unter deutschen Fürsten zweiten Ranges erblickte, während das unbedeutende Sachsen-Wittenberg in erster Reihe stand? Ist es nicht begreiflich, ja natlll'lich, dass er, im Besitze einer Macht, welche mit keinem von den Nachbarn einen Kampf zu scheuen brauchte, daran dachte, sich dieselben Vorrechte zu verschaffen, welche die Kurfürsten besaßen, und wenn er einmai nicht- mit diesen in erster Linie stehen konnte, sich wenigstens den ersten Platz nach denselben zu sichern? Dazu be- fand sich Rudolf ganz in de1· Lage, sein Streben zu verwirk· liehen; denn, wenn ein deutscher Fürst den Versuch wagen konnte, sich ein abgerundetes Territorium mit Ausschluss jedes fremden Einflusses zu schaffen, so war er es. Im Umkreise seiner Länder gab es nämlich keine bedeutende Macht, welche ihm mit Aussicht auf Erfolg widerstehen konnte. Da waren keine Reichsfürsten, deren Besitzungen sein Gebiet durchbrachen, keine Reichsstädte, welche seinem Streben eine schwer zu beseitigende Schranke entgegen stellen konnten. Und wie sollte der Kaiser, welcher von vorneherein den Gedanken, die Königsgewalt wieder herzustellen, aufgegeben hatte, gerade seinem Schwiegersohne verweigern, was er Andern so bereitwillig gewährte? Nar in dieser :leit war die Fälschung der Privilegien keine 'forheit. Im äußersten Falle blieb dem Herzoge noch die Berufung an das Schwert, womit er den Kaiser stllrzen und sich selbst an dessen Stelle setzen konnte, um daun seinem Hause die wichtigen Frei- heitsbriefe zu bestätigen. IV) Cha.ra.kter Rudolfs. Rudolf war ein talentvoller, eitler, hochfahrender, gewalt- tätiger Fürst, der kein Mittel scheute, wenn es nur zum Zwecke führte. Seinem Vorbild, Karl IV., folgte er namentlich durch die Errichtung der Wiener Universität, den Bau der Stcphans- kirche und die Ausstattung derselben mit Reliquien, welche er von allen Seiten zusammenholte. Wie sehr er den Schmuck Uberhaupt liebte, ist allgemein bekannt; zu ungebllhrlichem sollten ihm die Privilegien verhelfen. In der ersten Zeit seiner Regierung fand er ferner Gefallen daran, in seinen Urkunden möglichst viele Zeugen aufzuführen und kleinen Orten große 2

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