14. Jahresbericht des Bundesgymnasiums Steyr 1986/87

LAUF MASCHE AUS DER ARBEI TSWELT EINES LEHRERS Der Katheder dokumentiert augen- scheinlich den Lehrerstand . Zielstrebig den schützenden Katheder aufsuchen unter dem Vorwand wichtiger Eintragun- gen: die Fehlenden eintragen, die Zu- spät-Kommenden eintragen, die Ent- schu ldigungen eintragen, den Lehrstoff eintragen, die Klassenordner eintragen, den Wandertag eintragen, sich sei bst als Kürzel eintragen. Sich vom Katheder lösen, ei nen Sch ritt von ihm weg tun , sich frei spielen, mit einem Blick die Klasse ausblicken, mit einerGeste al le berühren, dieTrägheit al- ler aufsaugen und überwinden, und zwar zwi ngend , um bi s zum Ende der Stunde das Auslangen zu finden, sich ei nbi lden, zur Hypnose fähig zu sein . Den Körper anspannen zum Sprung in das lebendige Gegenüber geballten Instinkts. II Um Aufmerksamkeit werben , ermüden, sich hi lfesuchend an seine „Stützen" wenden, - nur höfliche Resonanz-, re- signieren , keine Bi lder mehr finden , ein- sam seinen monotonen Monolog ab- spu len, hölzern werden , eine Wand aufsteigen fühlen, sich eine Tarnkappe wünschen, versinken wollen , - sich noch einmal aufschwingen, überrascht vereinzelte Zuwendung spüren, den- noch keine Kraft mehr aufbringen, sich schämen , überstürzt die Klasse ver- lassen. Am nächsten Tag nicht mehr dasselbe Kleid anziehen wo ll en, weil die klägliche Stunde des Vortages noch darin nistet. Ein anderes Kleid anziehen, das heißt in eine andere Haut sch lüpfen wollen . Beim Betreten der Klasse ei ne Laufma- sche bemerken, daher immer mit dem Rücken zu r Wand bleiben , nur das Nö- tigste an die Tafel schreiben, sich der ab- gehackten , gekünstelten Schritte be- wußt werden , sich sch ließlich hinter dem Katheder verschanzen. Sich bei einer Redeübung auf den frei- gewordenen Platz setzen und meinen, zu ihnen zu gehören. Oder: sich auf den Katheder setzen, die Ellbogen aufstüt- zen, eine kameradschaftliche Haltung annehmen und meinen, Vertrauen zu er- wecken. Beim Prüfen eine vielwissende, jedoch woh lwol lende Miene aufsetzen. Eine Schu larbeit trotz gedanklicher Wie- derholungen mit Gut beurteilen. Eine Schularbeit wegen gedankli cher Wie- derholungen mit Genügend beurteilen. Schularbeiten zurückgeben und für einen Moment meinen, Schicksal zu spielen; zum Beispiel die Sehr gut wie der liebe Gott verteilen. Rügen erteilen, hinter denen man nicht steht. Nur solche Befeh le erteilen , die sicher ausgeführt werden . Scheinbar demokratische Abstimmun- gen herbeiführen . Einen Text in die eigene Tasche interpre- tieren. Fragen stellen, deren Antworten man sich vorher ausdenkt. Fragen stell en , auf die man keine Ant- wort weiß. Fragen stel len, auf die es keine Antwort gibt. Zu leichte Fragen stel len und sich daher blamieren. Einen begangenen Feh ler verschleiern, oder aber frisch-fröhlich eingestehen und dieses Geständnis als persönlichen Erfolg verzeichnen. Etwas nur soweit erklären können, als man es selbst verstanden hat, an sei ne Grenzen kommen und dabei körperli- chen Schmerz empfinden. Einen guten Tag haben, die Manschet- ten aufstü lpen, sich die Bri lle ins Haar stecken , sportlich dreinschauen, die Fenster aufmachen , als flüssigen Über- gang ei nen Witz erzäh len , das Lachen wie einen zugespielten Ball auffangen, die Fenster schließen, guten Mutes sein . Mag. Mar/ene Krisper 56 --------- ----- ----- -

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