14. Jahresbericht des Bundesgymnasiums Steyr 1986/87

FERIEN-ARBEIT ERFAHRUNGEN ALS FERIALPRAKTI KANTI N „Das halte ich nicht durch . Das schaffe ich nie ... Wie bringe ich Frau B. aus dem Bett? Wie bade ich Herrn S.? Injekti onen soll ich geben? Hoffentlich teile ich die Tabletten richtig ausl ..." Di ese Fragen beschäftigten mich den ganzen Vormit- tag , trieben mich fast zur Verzweiflung . Es war der erste Tag meiner Arbeit im Altersheim, eine Ferialarbeit , die ich mir selber ausgewählt hatte. Und da ich von einer höheren Schule kam (ich war in der 7. Klasse) , sah man in mir so etwas wie eine angehende Schwesternschülerin , die ihre Arbeit kennenlernen mußte. Die Frau, die ich umbetten sollte, war 80 Jahre alt , unbeweglich, apathisch, be- reits vom Krebs und dem nahen Ende gezeichnet. Der Mann, den ich waschen sollte, hatte mit mir Mitleid , aber er konn- te sich selbst nicht helfen. Was auf mich an diesem ersten Tag ein- stürzte, überstieg meine Kräfte. Ich ging zu Mittag nach Hause und li eß mich ins Bett fall en. ,, Dort bringt mich niemand mehr hin , diese Arbeit ist nichts für mich!" Ich weigerte mich , am Nachmittag noch einmal ins Altersheim zu gehen. Ich ging auf eine Baustell e Schotter führen und Holz sch lichten. Jede Arbeit wollte ich übernehmen , keine Arbeit erschien mir zu schlecht. Nur zu den Allen , Hilflosen, Kranken konnte ich nicht zurück. Mei ne Fami li e, das Personal, all e wollten mir helfen. Di e Oberschwester machte mir sogar verlockende Angebote und fragte mich , welche Arbeit mir gefall en wü rde. Sie verstand mich in meiner Ver- zweiflung. Doch ich ließ mich nicht trö- sten. Mein Dickkopf spielte stur. Erst als ich merkte, daß das Pflegeperso- nal meine Ablehnung auf sich persön- li ch bezog, blieb mir keine andere Wahl. Ich mußte mich überwinden, und gi ng zurück ins Al tersheim. Ich war sehr dankbar dafür, daß man mit mir behutsam umging. Ich mußte vorerst nur fünf Stunden am Tag arbeiten. Ich besch riftete Medikamentenschachteln oder Regal e, bügelte die Wäsche, die in einem großen Heim nie ausging, putzte die Zimmer und Speiseräume, und auch die Betten gehörten regelmäßig überzo- gen. Mehr Spaß machte mir di e Garten- arbeit, besonders dieGemüse-und Ribi - selernte. Ich erl ebte die Atmosphäre in einer Großküche, und zu Mittag spiel te ich Kellnerin . Von Tag zu Tag wu rde auch mein Kontakt zu den alten Leuten besser. Ich lernte ihre Wünsche und Probleme, aber auch ihre Leiden kennen. Es fiel mir immer leichter, damit umzugehen. Trotzdem hatte ich bis zum Schluß Schwierigkei- ten ,' die richtigen Worte zu finden , wenn ich mit schwerkranken oder schon fast im Sterben liegenden Menschen ein Ge- spräch führen soll te. Wenn ich aber dar- an dachte, wie sich .gerade diese Men- schen über jede Kleinigkeit freuten (es genügte oft nur ein Satz), war das für 41 mich seh r ermutigend. Sobald ich am Bett des Kranken stand, war die Angst überwunden. Nicht selten bekam ich dann ein Stück Keks, ein Stück Schokol ade oder irgend- eine andere kleine Aufmerksamkeit als Zeichen der Dankbarkeit. In den Kontakten mit den Menschen habe ich für mich persönli ch sehr viel ge- lernt. Mir wu rde auch bewußt , wieviel das Personal in einem Altersheim leisten muß und wieviel Freude und Liebe man zu diesem anstrengenden, schwierigen und verantwortungsvollen Dienst braucht. Die Arbeit im Altersheim - meine erste Ferialarbeit - war für mich mehr als nur ein Einblick in eine neue Arbeit. Zum er- sten Mal habe ich erlebt , daß man sich im Leben hart durchbeißen muß, auch wenn man am Anfang glaubt , daß man es absolut nicht schafft. Die Bereiche- rung war für mich daher größer, als ich je gedacht hatte. Zwei Jahre später war ich Briefträger. Für mich als Studentin war es wiederum hart , täglich um fünf Uhr aufstehen zu müssen. Aber ich wol lte die Arbeit. Und so begann ich schon am ersten Tag die Tätigkeit des Postl ers zu schätzen. Um 6 Uhr mußte die Post bereits vom Bahnhof geholt werden. Während an- dere Menschen noch im Bett lagen , wa- ren wi r schon mi tten im Geschäft. Die Post wurde nach den Ortsteilen und der Art der Briefe kartiert. Große Mengen von Paketen mußten angeschri eben werden. Dazu kamen die Zeitungen und

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