14. Jahresbericht des Bundesgymnasiums Steyr 1986/87

MADERS KAMPF UM DEN WEHRGRABEN Er habe, erzählt er, noch in den 50er Jah- ren in amerikani schen Zeitschriften zum erstenmal Hochhäuser gesehen , er sei von „diesem Funkti onali smus, dieser Gerad lini gkeit " durchaus beeindruckt gewesen , und dieAnkü ndigung , es wer- de bal d auch in Steyr ein Hochhaus ge- ben, sei ihm ei gentlich willkommen ge- wesen. ,, Ein bi sse! problematisch" habe er damals allerdings die Aussagen man- cher Steyrer empfunden, die amerikani- schen Bomber hätten viel mehr von Steyr zerstören sol len , ,,weil dann hätten wi r eine ganz neue Stadt gekri egt". Heri bert Mader hat in Wien Malerei stu- diert, weil er sich, sagt er, gar nicht hat vorstell en können,etwas anderes zu tun. Sein kriti sches Verständnis für architek- tonische Fragen scheint nur zu ei nem kl eineren Teil aus dem freundschaftli - chen Umgang mit Wi ener Architekten und Architekturstudentenentstanden zu sein, im wesentlicheren wohl aus der ei- genen zeichneri schen Auseinanderset- zung mit der gebauten Umwelt. (Wie dann später, umgekehrt, sei n Engage- ment für den Steyrer Wehrgraben den Aquarell isten Mader, den wir heute ken- nen, mitgeprägt zu haben scheint.) Noch als Student, Ende der 50er Jahre, versuchte er die Verwandlung eines alten Steyrer Stadtplatzhauses in ein potemkinsches (,,modernes" Gebäude hinter der alten Fassade) zu verhindern; den Studenten, den angehenden Maler hat damals kei ner ernst genommen . Und die, je nachdem, abschätzigen bi s nachsichtigen Bemerkungen hat er sich dann in den nächsten fünfundzwanzi g Jahren noch oft genug anhören müs- sen: Er sehe das als Künst ler, gut und schön, der Standpunkt eines Pol itikers sei aber ein anderer als der des Künst- lers, der Politiker müsse vor allem auch die wirtschaftliche Seite sehen, schl ieß- lich müsse der Fortschri tt ja auch in Steyr einziehen, und auf daß der Fortschritt munter fortschreite, müsse man eben das ei ne oder andere romantische Win- ker!opfern . Noch etliche Kämpfe um die Erhaltung kulturhi stori sch wichtiger Steyrer Gebäude und Kl einensembles hat Mader denn auch verloren. Daßder Kampf um den Wehrgraben gewonnen wurde, liegt - so scheint mir - daran , daß Mader beim Kämpfen das Kämpfen gelernt hat. Er hat, weitgehend selb- ständig, das Know-how ei nes solchen Kampfes entwickelt, lange bevor er durch die zah lre ichen Bürgerinitiati ven allerorten fast schon zum Allgemei nwis- sen wurde. Aiser nach dem Stud ium 1960 alsKunst- erzieher zurück nach Steyr kam , hat er hier den Round Table Club mitbegrün- det - und zu einem Forum für die Di s- kussison städtebau licher Fragen ge- macht. So wurden Arch itekturprofesso- ren und -Studenten von der TU Graz nach Steyr geholt, entstanden ist daraus Anfang der 70er Jahre das Buch ,,Grundl agen zur Stadterneuerung". Wi e dringend notwendig ein solches wissenschaftliches Werk war, auf das sich die Bürger bei allen städtebaulichen Vorhaben in Steyr den Politikern gegen- über berufen konnten, erwies sich ge- nau zu dieser Zeit : 1972 schien durch einen wasserrechtli chen Bescheid das Schicksal des Steyrer Wehrg rabens be- siegelt. Dieses mit zu den ältesten Tei len der Stadt gehörende Viertel an der (zwecks Energienutzung schon im Mit- telalter zu mehreren Armen aufgesplit- terten) Steyr mit sei nem reizvollen Ne- benei nander mittelalterli cher Hand- werks- und gründerzeitlicher Industrie- arch itektu r sollte durch ein Zuschütten des Wehrgrabenkanals zerstört werden (und Grundstücksspeku lanten witterten eine Jah rhundertchance). Mit Vo rsprachen bei Kommunalpoliti- kern und etlichen öffentlichen Brandre- den erntete Mader zunächst wieder nur das obli gate: ,,Sie sehen das zu sehr als Künstler, man kann nicht jeden Maler- winkel, der doch inWi rklichkeit ein Glas- scherbenviertel ist , erhalten." Da gelang Mader nun Mitte der 70er Jahre der zweite entscheidende Schritt. Er konnte die Medien, insbesondere das Fernsehen, für denWehrgraben interes- sieren, ihn damit auch überregional zu einem öffentlichen Thema machen, seh r zum Ärgern is der Kommunalpoli tiker, noch mehr zum Ärgerni s der Grund- stücksverwerter, die al lemal am liebsten unbeobachtet arbeiten. In der Stadt selbst trugen die Informationen über den wahren städtebaulichen Wert des Wehrgrabens und besonders auch die --- - ----- -------- - - - -- 26 ----- - ------------- ---

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