14. Jahresbericht des Bundesgymnasiums Steyr 1986/87

VORBEMERKUNG Als ich in den sechziger Jahren das Gymnasium am Michaelerplatz besuch- te, war - trotz der räumlichen Nähe - di e Di stanz zum Wehrgraben sehr groß. Di e wirtschaftl iche Bedeutu ng di eses Stadttei ls war weitgehend verlorenge- gangen, sei t die Steyr-Werke im Jah re 1914 ihre Betri ebsstätten auf di e Ennslei- te verl egt hatten; die Hack-Werke waren allerdings zu dieser Zeit in vollem Betri eb. Wenig attraktiv, sogar fast ver- pönt war der Weg, der in dieses Viertel führte - durch di e Badgasse. Auch als Wohngebiet waren die Insel n zwischen der Steyr und ihren Nebengerinnen nicht gerade attrakti v. Es fo lgten die Jah- re der Diskussion um di e gepl ante Zuschüttung des Wehrgrabens, ei ne Diskussion, in der es erstmals in Öster- reich gelang, ei nwertvo lles Denkmal der Indust ri egeschichte vor der Zerstörung zu bewahren. Fast zwanzig Jahre nach der Matura kehrte ich gerade in jenen Stadttei l zurück, den ich während mei- ner Sch ulzei t wenig beachtet hatte, um hier mi tzuarbeiten am Aufbau des Museums der industri el len Arbeitswelt. DAS KONZEPT Die Grundidee für Aufbau und Gestal- tung der Landesausstell ung 1987 und des daraus hervorgehenden Museums der industriellen Arbeitswelt besteht dar- in , den Menschen mit sei nen Lebens- und Arbeitsbedingungen während der Industri al isierung in den Mittelpunkt zu stellen. Während andere Lebensberei- che, etwa das Handwerk oder die bäuer- liehe Welt , zumindest in Ausschnitten ihrer sozialen Bedingungen in Museen und Ausstel lungen Berücksichtigung finden, die Schwerpunkte dieser Prä- sentati onen jedoch meist der Hochkul - tu r, der bürgerli chen, feudalen oder der kirchlichen Welt zuzuzählen sind, bleibt der Industriearbeiter weitgehend ausge- kl ammert. Ziel des Museums der Arbeitswelt ist es, den in der Industrietäti - gen Menschen nicht nu ramArbeitsplatz - also in den technischen Vorausset- zungen der Entwicklung - zu zeigen, sondern auch im pri vaten Bereich, in Wohnung und Fami lie und auch mit den politischen Veränderungen, mit den sozialen Bewegungen. Notwendig ist dabei, daß deutli ch gemacht werden kann, in welch hohemAusmaß diese ver- schiedenen Bereiche zusammenhän- gen. Um einen Weg durch die Ausstel- lung gestalten zu können, wurde ei ne Gli ederung in vier Phasen formuli ert, innerhalb derer anhand von Beispielen Entwicklungen und Zusammenhänge gezeigt werden: Phase 1: Handwerk und Manufaktur als Ausgangssituation Darstell ung vorindust riel ler Produk- tionsweisen mit den Hauptenergieträ- gern Mensch, Ti er, Wasser und Wind. Die Schwerpunkte liegen bei kleinge- werblicher Produktion in ihrer Einbin- dung in die Zunftorganisation einerseits und bei der Manufaktur mit ih rem arbeitsteil igen Prinzip und der großen Anzahl von Beschäftigten, die aber noch mit handwerklichen Methoden tätig si nd , wobei für beide Gruppen ein Prinzip der Identität von Arbeits- und Wohnstätte gil t. Phase 11 : Die erste industrielle Revolution Ausgangspunkt ist di e tiefgreifende Ver- änderung der Arbeitsprozesse durch den Einsatz der Dampfkraft, das Entste- hen industrieller Großbetriebe und die daraus resultierende Trennung von Arbeitsplatz und Wohnstätte. Di e sich aus diesen neuen Produktionsformen ergebende Revolutionierung der Sozial- struktur, die Bestrebungen der aufkom- menden Arbeiterbewegung sind wichti - ge Themen. Phase II I: Rationalisierung , Fließband, die industr ielle Arbeitswelt in den Jahren 1918 bis 1945 Der Einsatz von Elektri zität und Verbren- nungsmotor ermöglicht neue Qualitäten der Produkt ion im Hi nbl ick auf kleinge- werbliche Strukturen ·einerseits, auf extreme Massenproduktion anderer- sei ts. Damit im Zusammenhang steht die Verkehrsrevolution mit ih ren Rückwir- kungen auf die industrielle Produktion sowie auf die Mobilität des Einzelnen. Jedoch nicht nur die Arbeitsbedingun- gen ändern sich grundlegend, vielmehr bringt sie auch die Durchsetzung wichti- ger sozialpoli tischer Forderungen und das Entstehen sowie die Hochblüte neu- er Formen der Arbeiterku ltur. Phase IV: Elektronik und moderne Indu- stri egesell schaft Der Ei nfluß von Elektronik und Automa- tion auf alle Lebensbereiche, die wach- sende Bedeutung von Verwaltungstäti g- 24 - -------------------- -

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