14. Jahresbericht des Bundesgymnasiums Steyr 1986/87

vorzubereiten . Statt einer soliden All ge- mei nbildung mit oftmaliger Berüh rung mit dem Wichtigsten entwickelte sich in vielen Fächern die Praxis, daß ein Stoff abgeprüft wird, so als wäre die Mittel- schul e eine Taschenausgabe der Hoch- schule. Die Schül er wu rden in den Vierziger- und Fünfzigerjahren weniger aus Presti- gedenken in die Mittelschule geschickt, sondern wei l man eben ihre Begabung fördern wol lte. Sie stammten aus ver- schiedenen Schichten, und werein eige- nes Lehrbuch besaß, hielt es sauber zum Weiterverkauf. Wer das Geld nicht hatte, bekam die Bücher aus der Schülerlade geliehen. An staatliche Hil fe dachte niemand. Auch auf einem anderen Gebiet saß dem Lehrer die Jurisprudenz nicht im Genick: Man plante Ausf lüge und Schi - kurse je nach den Möglichkeiten, blieb zwei Tage aus, wenn es nötig war, ließ in Seen schwimmen und mit dem Boot fah- ren und hatte durchwegs gute Marschie- rer, von denen niemand durch das Auto des Gehens entwöhnt war. Schon in den Sechzigerjahren beklag- ten Koll egen mancher Fächer den all ge- mei nen Rückgang der Schülerleistung . Den Sch lüssel dafür dürfte die Ansicht des Begründers von Pädagogischen Akademien auf deutschem Boden sein, der erkannt hatte, daß sich die Begabun- gen für einige Fächer auf andere verla- gert hatten. Derselbe Pädagoge hatte auch erklärt, für die AHS-Schü ler sei das Kriterium die Fäh igkeit zur Abstraktion, [II die er nur drei bis fünf Prozent der Volks- schulabgänger zuschrieb. Am Ende der Sechzigerjahre senkte der Massenan- drang aus der Volksschu le die durch- schnittliche Leistungsfähigkei t weiter. Aber zum Trost zeigen die heutigen Ma- tu rafeiern , daß die Maßstäbe der Schule nicht immer im Berufsleben gelten. Nach 1945 gab es wieder Schikurse. In den Zwanzigerjahren hatte Turnprofes- sor Pi chler auf eigene Faust mit Schü lern in Vorderstoder ein Massenquartier ein- gerichtet. Zu Mittag fuhr man ins Dorf hinunter, zurück stieg man hinauf , denn es gab wie auch später auf dem Kasberg keinen Li ft. Unvergessen sind die Abende mit Gesang und Spiel, an denen Lehrer und Schül er beisammen blieben. Von den Kollegen fuhren außer den Tu r- nern nur wenige recht und sch lecht Schi. Für mich genügte als Qualifikation , daß ich aus Ebensee stammte. Als junger Germanist wurde ich in der theaterlosen Steyrer Zeit zum Hilfsregis- seur des ehemaligen Theaterd irektors Pernegger-Pernegg bestimmt , unter dem Kollegen und Schüler im Allen Stadttheater, im Volkskino oder im Gym- nastiksaal spielten. Das erforderte zeit- wei li g Nachsicht in den Schulleistungen der Spieler und verstimmte unbeteiligte Kollegen. Dazu gab es viele Schu lfeiern , di e den Musiker ebenso einspannten wie ei nige Germanisten. Der Zeitauf- wand war groß, die Erinnerung bleibt un- verwelkt. Angesichts der selbstverständlichen Schulbäl le wird kaum jemand ihre ge- wagten Anfänge ahnen. Der zaghafte Versuch ei nes Kränzchens im Pflug sah erst einen mutigen Besucher aus dem Lehrerkreis. In den Fünfzigerjahren ver- anstaltete dann ei n Maturant fast gegen den Wi ll en der Direktion den ersten Ball des Gymnasiums im damaligen Hotel Münichholzmit zwei Kapell en und setzte durch die erzeugte Stimmu ng und den Besucherstrom den Beginn zu all en fol- genden Mittelschulbällen. Ich sehe mit Dankbarkeit auf die 36 Jah- re meines Unter ri chtens in Steyr zurück. Es mag sich vieles in den erlebten Jahr- zehnten geändert haben , doch eines wird immer gleich bleiben: Der Leh rer wird nicht nur den Stoff zu vermitteln ha- ben, sondern auch ein Stück seiner Weit- sicht anbieten und sei ne Erfahrung und sein Herz in die Waagschale werfen. OStR Mag. Dr. Erich Grandy ---------------------- 22 ----------------------

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2