14. Jahresbericht des Bundesgymnasiums Steyr 1986/87

LEHRER AUF PROBE Über Sinn und Unsinn des Probejahres wurde schon viel geschrieben und di s- kutiert. Zweifellos forderten die praxisfer- nen altenStudi enpläne fü r Lehramtskan- didaten ein solches Einführungsjahr, da ein mi t theoreti schem Fachwissen aus- gestatteter Jung lehrer wäh rend des Stu- diums kaum mit den notwendigen Fä- higkeiten, die fü r den Schu lalltag not- wendig sind, ve rtraut gemacht wurde. Nach den neuen Studienplänenwi rd ein ebenso, aber aus anderen Gründen um- strittenes „Schulpraktikum" verlangt, das schon während der Studienzeit ab- solviert werden muß. Noch aber müssen sich Junglehrer mit di esem seltsamen Dasein abfinden: da sein , anwesend sein, ohne recht zu wis- sen warum , unbeachtet oder geduldet. Zwar si nd Vortei le wie Gehaltsbezug und vor allem Sozialversicheru ng unumstrit- ten , doch wirkt das dauernde Gefühl, nich t ganz für voll genommen zu wer- den, recht demotivierend . Wäh rend des Probejahres wird der „Ein- zuführende" zwei „Einführenden", erfah- renen Lehrern , zugetei lt. Er muß nun vorerst eine gewisse Stundenzah l hospitieren, das heißt in die Klassen mit- gehen, zuhören. Im zweiten Semester muß er in jedem seiner bei den Fächer sowohl für Unter- als auch Oberstufe ein Konti nuum halten. Dabei soll in mehre- ren aufeinanderfol genden Unterrichts- einheiten ein Thema aufgearbeitet wer- II den , das der Probeleh rer mit eventuell er Hilfe sei nes Ei nführenden darbietet. Sch ließlich muß jeweils ein Probeauft ritt getätigt werden, bei dem Einführender und Di rektor anwesend sind und der we- sentlich fü r die Note im Probejah res- zeugnis maßgebend ist. Leider ist der Probelehrer in der Zwi- schenzeit , vor allem in:i ersten Semester, oft zum Nichtstun verurtei lt. Das ganze Jah r wartet man: auf den Einführenden, auf das neue Verordnungsbl att mit den Stellenaussch reibungen, auf das Ende der Stunde. Das Hospitieren wird bald langwei lig, nur Glückliche durfen regel- mäßig unterr ichten, wenn ihnen ihr Ein- führender eini ge sei ner Stunden zur Ver- fügung stel lt. Nur noch seh r selten und in wenigen Fächern ist es möglich , schon im Probejahr eigene Stunden zu be- kommen. Bei den Kollegen kann der Probel ehrer oft auf verständn isvolle Hi lfe zäh len , erin- nern sichdoch viele jüngere Leh rer noch an die Si tuation , meh r geduldet als wi ll- kommen zu sein . Einige aber ziehen es vor, ihn kühl zu ignori eren. Aber wirkli ch, Probelehrer können seh r lästig sei n:Sie stehen immer geradedort herum , wo ei n eifriger Kollege schnell - stens vorbei muß, si tzen zeitungslesend im Leh rerzimmer und tun offensichtlich nichts. Für die Schü ler ist das „Beiwagerl" an- fangs wohl mäßig interessant, bald aber läßt es sie vö ll ig kal t , den Geh ilfen des Professors im Rücken zu haben. Wenn er unterri chten darf, sind sie oft sehr höf- lich und bemühen sich , ihn durch schei nbar brave Mi tarbeit zu beruhigen. Einige weni ge füh len sich abe r in ih rer Selbstachtu ng gekränkt , sich von einem Beiwagerl instruieren lassen zu müssen. Vor allem ist der Probeleh rer harmlos. Er darf keine Noten geben, versucht Schwieri gkei ten noch mit pädago- gischem Gespür zu begegnen und ist einfach noch Idealist , also leicht zu handhaben. Nun besteht das Dilemma des (Probe-) Lehrers darin , daß es ihn natürlich über- fordert, sich in 30 Schül erköpfe hineinzu- versetzen. Es ist nicht mög lich , die eigeneWelt auch nur ku rzfristig 30 ande- ren (Welten) gegenüberzustellen oder sie gar zu vertauschen. Vielleicht auch deshalb, weil die Welt des Schülers aus so vielen Dingen besteht , mit denen der Lehrer, warum auch immer, nicht (mehr) zurechtkommt. Mei ne Zeit als Probelehrer am BG Steyr war trotz der vielen Nachtei le, die das Dasein als halbe Portion mit sich bri ngt, in mancher Hinsicht lehrreich . Ich habe erkannt, wo mei ne Probleme als Leh rer liegen; zuzugeben, etwas nicht zu wis- sen, Di stanz zu halten, auch wenn es schwer fä llt , mit der gutgemei nten Freundlichkeit von Schül ern umzuge- hen, die dem Lehrer gi lt , nich t dem Men- schen. Ich habe etwas Idealismus verlo- ren und Erfahrung gewonnen. Mag. Gerhard Winter -------- -------------- 20 -------------- --------

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