G:J t - t Wilde Kinder Freiheit und Ordnung im Jahresbericht Seit zwei Jahren hat unser Jahresbericht ein neues graphisches Konzept, eine äußere Ordnung, die fast überall Zustimmung gefunden hat. Heuer hat sich die Redaktion auch um eine neue innere Ordnung, um ein Gesamtkonzept für die Lehrer- und Schülerbeiträge bemüht. Bei einem privaten „Brainstorming" tauchte das Thema „Wilde Kinder" auf, und seither sind wir bemüht, diese Idee Schülern und Lehrern, die wir um Beiträge gebeten haben, verständlich zu machen. Ein Gespräch über dieses „wilde Thema" verläuft von meiner Seite meist so: Jeder von uns hat - gemäß seiner Erziehung und seiner menschlichen Entwicklung - eine andere Einstellung zu Ordnung und Freiheit. Jeder von uns wird sich auf die ihm entsprechende Art mit dem Thema „Wilde Kinder" beschäftigen. Und das ist gut so. Mehr an Ordnung verträgt dieses Thema nicht. Lebendigkeit erhält es durch Gespräche, Auseinandersetzung. 85 Lehrer, 1000 Schüler. Immer wieder der Ruf nach mehr Ordnung, weniger Wildheit. Andererseits können echtes geistiges Leben, Neues, Kreativität, Kunst nur in Freiheit entstehen. Alles andere ist Zucht. Schule als Zuchthaus für Schulzucht? Echte Freiheit kann es aber nur in einem ordnenden Rahme·n geben. Mein Werk muß vor Zerstörung sicher sein. Wie können wir in der Schule die wilden Kinder und die wilden Lehrer in eine schützende Ordnung stellen? Das Bild eines Gartens taucht auf: Geometrisch abgegrenzte Beete. Hier Salat, hier Erdbeeren, da der Kirschbaum, durch ein Netz vor Vogelfraß geschützt. Strengste Ordnung. Kein Vogel. Gegen die Insekten Gift. Gift auf den Salat, auf die Erdbeeren, auf den Kirschbaum. Die Ernte auf den ersten Blick großartig. Der zweite Garten wird seit Jahren nicht mehr bewirtschaftet. Ein Paradies für Vögel, Insekten. Aber keine Früchte, kein Gemüse. Es gibt noch einen dritten Garten. In dem herrscht die Ordnung und Freiheit des Verstehens. Des Verstehens der Zusammenhänge. Der zusammenhänge von Pflanzenwelt, 7 Lehrerbeiträge Tierwelt und der Wünsche des Menschen. Schatten schützt vor Hitze. Unkraut bewahrt die Erde vor dem Austrocknen und gibt natürlichen Dünger. Eine Quelle spendet Feuchtigkeit. Di e Vöge l, die das Un geziefer fressen , bekommen geschützte Nistplätze. Verglichen mit dem ersten Garten, ist auch dieser wild. Ja, er ist wild, aber nicht verwildert. Seine Pflege ist mühsamer als die des ersten Gartens. Seine Pflege verlangt mehr Wissen und mehr Gefühl. Seine Früchte sind bekömmlicher, auch wenn sie auf den ersten Blick weniger auffallen als die vom Stickstoff aufgequollenen Erdbeeren. Und der Geschmack. l\~~iin'rimn=~mrtilin~ -~ ll.------n,-rr cß"· . . ,:.~----. . -.._- . - · ---· . . .... " .. -- ---- .. · -~ ---~.Gr,. , ,; -- .i_, ,_. ·-'Sr:~. -.-..-, - .· ,, Der dritte Garten Zeichnung: Mag. Alois Wimmer Will ich das auf diesen Jahresbericht anwenden, so wünsche ich mir, daß wir auf dem Weg zum dritten Garten sind. Ein Anfang war der Schüler-Workshop in Losenstein. Auf die Schule und meine Arbeit als Lehrer übertragen, stelle ich mir eine komplizierte, individuelle Ordnung vor, die auf wenigen Grundlinien einer Rahmen-Hausordnung beruht, aber durch Gespräche, auch harte Gespräche, durch individuelle Begegnung zum Leben erweckt wird. Das Wild-Sein der Schüler und Lehrer soll willkommen sein als Leben spendende Energie, die für aufbauende Arbeit genutzt wird. Gespräche über den heurigen Jahresbericht, notfalls brieflich, können uns die nötige Energie für die künftige Arbeit geben. Für die Redaktion: Mag. Josef Preyer
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