13. Jahresbericht des Bundesgymnasiums Steyr 1985/86

fühlen, die jüngsten Darbietungen der abstrakten Malerei als ,,hübschen Vorhangstoff" abzutun, sollten wir auch nicht vergessen, wieviel die reiche Auswah lan phantasievollen und originellen Vorhangstoffen den Experimenten der abstrakten Malerei verdankt. Die tolerante Einstellung und die Bereitwilligkeit der Kritiker und Fabrikanten, neue Ideen und Farbzusammenstellungen auszuprobieren, und selbst der rasche Wechsel der Mode haben unsere Umwelt bereichert. Ich glaube, daß heute viele junge Menschen zeitgenössische Kunstwerke in diesem Sinn genießen, ohne sich über den orakelhaften Tiefsinn des Ausstellungskatalogs den Kopf zu zerbrechen. Andererseits muß man auch die Gefahr einer Hingabe an jede Modeströmung betonen, denn sie bedroht die Freiheit. Ich denke dabei an den Druck des Konformismus, die Angst vor dem Zurückbleiben, die Furcht; man halte uns für verspießert, oder wie immer das neueste Modewort dafür lauten mag. Es ist heute notwendiger denn je, sich klarzumachen, wie sehr sich die Kunst von Wissenschaft und Technik unterscheidet. Zwar kann die Kunstgeschichte hie und da die schrittweise Lösung bestimmter künstlerischer Probleme aufzeigen, aber der Begriff Fortschritt existiert hier nicht, da jeder Gewinn in einer Richtung meist mit einem Verlust in einer andern erkauft werden muß. Das gilt fü r die Gegenwart wie für die Vergangenheit. Es ist klar, daß eine willkommene Zunahme der Toleranz gleichzeitig eine Abnahme unserer Ansprüche zur Folge hat. Die ständige Suche nach neuen Sensationen ist schwer vereinbar mit jener Geduld, mit der sich früher ernste Kunstliebhaber anerkannten Meisterwerken widmeten. Zugegeben, di ese Hochschätzung der Kunst der Vergangenheit war auch nicht ohne Nachteile, da sie zu einer Vern achlässigung lebender Künstler führen konnte. Und doch können auch wir nicht sicher sein, daß unsere Aufgeschlossenheit uns davor bewahren wird, einen genialen Künstler zu verkennen, der unbeirrt von Moden oder Publizistik seinen Weg geht. In der Kunstentwicklung der Gegenwart besteht die Gefahr, daß wir den Kontakt mit unserem kulturellen Erbe verlieren könnten. Es soll nicht dazu kommen, daß die alte Kunst für uns nur mehr als eine Folie existiert, vor der neue Werke ihren Sinn gewinnen. Paradoxerweise können Museen oder Bücher über Kunstgeschichte diese Gefahr noch vergrößern, denn indem sie Totempfähle, griechische Statuen, gotische Kirchenfenster, Rembrandts und Jackson Pollocks aneinanderreihen, wird nur allzuleicht der Eindruck erweckt, es handle sich da um ein und dasselbe, als sei das alles Kunst, wenn · auch Kunst verschiedener Epochen. Die Geschichte der Kunst wird aber erst dann sinnvoll, wenn wi r verstehen , warum das nicht der Fall ist; und warum Maler und Bildhauer auf verschiedene Umstände, Einrichtungen und Anschauungen auf die verschiedenste Weise reagierten. Referat von Sandra Tomandl, 8.A-K!asse, im Rahmen der Bildnerischen Erziehung - --------------------- 50 ----------------------

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