13. Jahresbericht des Bundesgymnasiums Steyr 1985/86

und schluchzend, als er, wie beschwörend, auf das Rettung bringende Boot starrt. Der Leser bleibt in der Spannung des jungen Menschen, der in seiner Aufgabe über sich hinausgewachsen ist. Selber Angst haben, die Gefahr kennen und zugleich die anderen beruhigen müssen, weil nur Beherrschtheit vor dem Untergang retten kann, das ist Rolfs Bewährungsprobe. „Rolf war still und hielt sich gern allein." Als ihm Elisabeth die Verantwortung über 16 Kinder überträgt, wird ihm die Disziplin sich selbst gegenüber zur schwersten Aufgabe. Als er Rettung sieht, darf er wieder ein Bub sein mit all seiner Angst, den Tränen und der Freude. Die Wahl der drei Kurzgeschichten folgt einem inneren Zusammenhang. Das Leitthema sind „die wilden Kinder", Jugendliche im Spannungsfeld zwischen Freiheit - Selbstentfaltung - Kreativität und Ordnung - Einschränkung - Disziplin. In den „Drei dunklen Königen" wird die Entscheidung über sich selbst und über die Zukunft der Welt dem „noch schlafenden Kind" als Auftrag mitgegeben. In den „Kirschen" überrollt die Realität, .die trostlose Situation, das natürliche menschliche Fühlen. ,,Die Burg der Kinder" ist der Nachweis, daß das große Experiment gelingen kann: Disziplin zerstört nicht die eigene Freiheit, sie ist ein Stück Selbsterfahrung, Selbstentfaltung. Der Satz Antoine de Saint-Exuperys „Mensch sein heißt Verantwortung fühlen" schließt nicht aus, daß der Mensch zuerst Ich sein darf, mit all den eigenen Gefühlen, Vorstellungen und Fähigkeiten. Dieses Selbstverständnis ist Voraussetzung dafür, Wegweiser für die anderen sein zu können. Ich bin überzeugt, daß unsere Jugend, unsere Schüler dazu fähig sind. Dr. Karl Mayer Textnachweis: Wolfgang Borchert, Die drei dunklen Könige. In: Draußen vor der Tür und ausgewählte Erzählungen. Rowohlt Taschenbuch. · Wolfgang Borchert, Die Kirschen. In: Lesebuch Texte Band 4, ÖBV, Seite 73. Werner Klose, Die Burg der Kinder. Ueberreuter Lesebuch 2, Seite 63. DIE KIRSCHEN Wolfgang Borchert Nebenan klirrte ein Glas. Jetzt ißt er die Kirschen auf, die für mich sind, dachte er. Dabeihabe ich das Fieber. Sie hatdie Kirschen extra vors Fenster gestellt, damit sie ganz kalt sind. Jetzt hat er das Glas hingeschmissen. Und ich hab' das Fieber. Der Kranke stand auf. Er schob sich die Wand entlang. Dann sah er durch die Tür, daß sein Vater auf der Erde saß. Er hatte die ganze Hand voll Kirschsaft. Alles voll Kirschen, dachte der Kranke, alles voll Kirschsaft. · Alles voll Kirschen, dachte der Kranke, alles voll Kirschen. Dabei sollte ich sie essen. Ich hab' doch das Fieber. Er hat die ganze Hand voll Kirschsaft. Die waren sicher schön kalt. Sie hat sie doch extra vors Fenster gestellt für das Fieber. Und er ißt mir die ganzen Kirschen auf. Jetzt sitzt er auf der Erde und hat die ganze Hand davon voll. Und ich hab' das Fieber. Und erhatden kalten Kirschsaft aufder Hand. Den schönen kalten Kirschsaft. Er war bestimmt ganz kalt. Er stand doch extra vorm Fenster. Für das Fieber. Er hielt sich am Türdrücker. Als der quietschte, sah der Vater auf. „Junge, du mußt doch zu Bett. Mit dem Fieber, Junge. Du mußt sofort zu Bett." 14 - ---------------------

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2