12. Jahresbericht des Bundesgymnasiums Steyr 1984/85

II Noten im Bereich der AHS - ja oder nein? In unserer Arbeit haben wir uns bewußt einem Thema gewid- met , das besonders im vergangenen Schuljahr häufig zur Dis- kussiori stand . Abgesehen von sogenannten „ Unverbindli- chen Ubungen" werden sämtl iche Fächer und Freifächer durch die Noten: Sehr gut/ Gut/ Befried igend/ Genügend/ Nicht genügend bewertet. Für viele Schülergenerationen ist damit die Notengebung zu einem entscheidenden Bereich des Schu ll ebens geworden. Abgesehen von ihrer Funktion der Förderung des zielbewußten Leistungsdenkens und der Selbsteinschätzung in einem bestimmten Stoffgebiet/Fach- gebiet dient die Note derzeit auch etwa dem späteren Arbeit- geber als eine Art Auswah lkriterium. Gerade in jüngster Zeit stehen - als Alternati ve zu Noten - verbale Beurteilungen im Gespräch , vor allem für die Volks- schule. Generell läßt sich sagen , daß jegliche Änderung des Bewertungssystems reiflich überlegt werden muß, da sie von allen Betroffenen neue Perspektiven, veränderte Sehweisen des Schullebens verlangt. Viele befragte Schüler sind der Meinung, ein Abgehen vom bisherigen Notensystem würde Leistungsabfall , verstärkten Lern-Unwil len , ein allgemeines Sinken des Bildungsniveaus nach sich ziehen. Bevor man sich jedoch seine eigene Meinung bildet , sol lte man sich über Voraussetzungen im klaren sein, die ein Schulleben ohne Noten von uns all en fordert , bzw. fordern würde : Der Schü ler dieser „ notenlosen" Zukunft müßte sich bewußt sein , daß ein Lernprozeß für sein späteres Leben unbedingt nötig , ja existenzbestimmend sein dürfte. Er lernt weder für die „ Schule", noch für die Eltern oder Lehrer, sondern allein, um ein möglichst großes Wissen für sein späteres (Berufs) -leben zu erlangen. Man sollte meinen, daß diese Einstellung für Schüler ab einer gewissen Altersstufe- so etwa ab 14 - eine Selbstverständlichkeit wäre, doch die Realität heute sieht lei - der anders aus: Gerade für Jugendliche dieses Alters ist vieles wich_tiger als das Lernen. Viel leicht bestünde eine Möglichkeit zur Anderung in dieser Einstellung darin , schon dem Volks- schu lkind den wirklichen Sinn des Lernens für das weitere Leben klarzumachen. Ein „ Pauken" nur um der guten Noten 3. B-Klasse willen ist nicht wünschenswert , denn so wird nur für ein Kurz- zeitgedächtnis gelernt - vielleicht einer der Gründe für den z. T. auffallenden Bildungsabfall bei Maturanten. Viele sind der Meinung, daß gerade eine Schule ohne Noten viel von diesem Zwang , diesem Wettbewerbsdenken nehmen würde, ja daß erst durch sie ein bewußteres Lernen einsetzen kann. All es, was man mit Freude macht , lernt man fast „ spielend", vor all em vergißt man es auch nicht so schnell. Trotzdem glau- ben wir, daß auch eine notenlose Schule dem l ernenden eine Art der Rückmeldung über sein Können schuldet, denn es kann ein Jugendlicher in seinem Bildungsgang nicht ganz sich selbst und seiner Selbsteinschätzung überlassen wer- den. Dennoch wäre ein größeres Maß an Reife zum Gelingen der „ notenlosen" Schule unerläßlich. Die größte Pflicht des Schülers ist es, den Wissensstoff, den der Lehrer ihm vermit- telt, auch zu lernen , mit oder ohne Noten. Gerade was «verbale Beurteilungen» betrifft , erscheint es uns äußerst schwierig , einheitliche Vorgangsweisen zu sichern. Solche Beurteilungen müßten - notgedrungen - zu For- meln erstarren , und die Vorzüge gegenüber einem Noten- system seien dahingestellt. Eine Bewertung nach Punkten ist unserer Meinung nach kein Ersatz für die derzeitige Notengebung. Die meisten Schüler versuchen schon jetzt, sich - je nach Punktezahl - wieder „ ihre" Noten „ auszurechnen". (So wird etwa in unserer Klasse im Gegenstand „Geschichte" eine Art Punktesystem zur Beurteilung herangezogen: Für jede Prüfung , Wiederholung oder jedes Referat wird eine bestimmte Punkteanzahl verge- ben. Bei weniger guter Leistung erfolgt ein Punkteabzug. So entspricht auch dieses System wieder dem gängigen Noten- system) . zusammenfassend läßt sich sagen , daß viele Schüler das der- zeiti ge Notensystem - sei es aus Gewohnheit oder aus Über- zeugung - verteidigen , für gut befinden , ja überzeugt sind, es sei das einzige, das zu Fleiß und Lernbereitschaft anspor- nen könne, andere jedoch bemängeln , es könne nicht auf individuelle Bemühungen , besondere Leistungen , bzw. ---------------------- 72 ----------------------

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