12. Jahresbericht des Bundesgymnasiums Steyr 1984/85

II lieh. Wenn wir jedoch dafür Toleranz aufbringen , werden wir nicht nur unsere eigene Vergangenheit besser verste- hen , sondern auch mehr Verständnis für fremde Kulturen der Gegenwart aufbringen. (Es ist z.B. sehr begrüßenswert, wenn die Österreichische Akademie der Wissenschaften heuer eine Forschungs- stelle für die Geistesgeschichte Asiens einrichtet. Für das Vergleichen mit fremden Kulturen und ihrer Geschichte ist aber die Kenntnis der eigenen Vergangenheit als selbst- verständlich vorauszusetzen!) 3. Bereich.· KULTUR • Wir lernen die Kultur der Römer, ihre soziale Wirklichkeit, anhand ihrer Texte kennen Wie lebten die Menschen damals, wie wohnten sie, wie reisten sie, was glaubten sie, welche Götter verehrten sie, wie und was dachten sie, fühl- ten sie .. _? • Immer mehr Menschen reisen in Mittelmeerländer und besuchen dort archäologische Stätten und Ausstellun- gen .Sie stehen Zeugen und Denkmälern unserer Vergan- genheit gegenüber, müssen aber oft erleben, daß ihnen die Grundlagen fehlen , um z. B. Zusammenhänge herzu- stell en. Oft sind sie dann enttäuscht oder überfordert. • Kunst und Kultur der Römer leben auch heute in vielen Bereichen weiter: in der Literatur, iri der Musik (vor al lem Themen verschiedenster Opern , Kirchenmusik!) , in der darstellenden und bildenden Kunst mit ihrer Vielzahl an antiken Motiven ,aber auch im wissenschaftlichen Bereich (besonders in der Rechtswissenschaft!) und als lebendige Sprache innerhalb der katholischen Kirche. (Ihre offiziel- len Dokumente werden noch immer lateinisch verfaßt). • Keine Kultur kann es sich leisten , den Zugang zu ihren frü - hesten schriftlichen Quellen und Zeugnissen einfach ver- kümmern zu lassen oder auch nur zu erschweren. Wir könnten hier viel aus der Wertschätzung anderer Völker und Kulturen für ihre schrift li che Tradition lernen! In den Bereichen SPRACHE - DENKEN - KULTUR kann also Latein sehr Wesentliches zur Bildung des jungen (und auch älteren!) Menschen beitragen. Sicher können einzelne Argumente widerlegt werden, und die eine oder andere Ziel- setzung könnte auch von anderen Fächern wahrgenommen werden. Doch liegt gerade in der Summe der Argumente und in ihrer gegenseitigen Verstärkung (man spricht in diesem Zusammenhang auch von der „ Multivalenz" des Faches Latein) die Rechtfertigung für den Aufwand des Erlernens. Auch wenn die Welt immer mehr geprägt wird von den Fort- schritten der Technik, von Microcomputern und dergleichen , so werden dennoch die SPRACHE , das DENKEN und die KULTURelle Umwelt, der wir entstammen , immer wichtiger werden. Da die Freizeit- und damit auch die Manipulations- gefahr durch moderne Medien - zunehmen wird , sind es gerade diese Bereiche, in denen der Mensch auch in der Zukunft eine Selbständigkeit wahren kann . ---------------------- 62 ----------------------

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