12. Jahresbericht des Bundesgymnasiums Steyr 1984/85

EIN ZUSAMMENSTECKSPIEL ENTSTEHT Es fällt mir schwer, passiv zu bleiben , wenn ich die Landschaft betrachte. Es kommen so viele Gefühle aus mir heraus. Gefühle, die nicht beschreibbar sind. Ein Wald ist nicht bloß ein Wald, und ein Haus ist nicht bloß ein Haus. Es ist alles lebendig. Man müßte Namen erfinden , um alles benennen zu können . Ich kann zwar sagen : Das ist ein Baum, aber es ist nicht ein Baum, es ist der Baum. Es ist der Baum, der auf mich wirkt, den ich sehe, und den ich angreifen kann. Der Baum wird zu einem Teil von mir selbst, weil ich ihn mit mei - nen Augen gesehen habe und mit meinen Fingern gefüh lt habe. Der Baum wird zu deinem Baum, we il du ihn betrachtet hast. Ich sehe viele Hügel , viele Hügel , die sich in der Weite, im Hori- zont verlieren. Ich bin fasziniert von dieser Weite, dieser Unendlichkeit. Du fühlst dich vielleicht eingeengt, wei l du nur Hügel um dich hast. Ich sehe Weingärten und freue mich an ihrer Symmetrie, an den geraden Linien , die sich durch das Landschaftsbild ziehen. Du ärgerst dich über die unnatürliche Ordnung, die der natür- lichen Ordnung der Landschaft widerspricht. Ich sehe ein altes, verfal lenes Haus und lasse mich von der Farbe, der Musterung der Türe begeistern. Ich denke mir Geschichten aus, die rund um diese Türe passierten. Du bist enttäuscht von dem Verfall, von der Vergangenheit, die das bunte Bi ld der Gegenwart verdüstern. So untersch iedlich kann Landschaft sein. So unterschiedlich wie du und ich es sind. Michaela Schafferhans BEGEGNUNG MIT EINWOHNERN Ich sammle einsam in einem Wald Edelkastanien. Eine Frau , ungefähr 35 Jahre, in Stiefeln, einer alten Hose, Haushaltsschürze, darüber eine Jacke, ein Kopftuch umge- bunden , einen leeren Nylonsack in der Hand , geht auf mich zu , den Blick auf den Boden geheftet. Als sie mich sieht, kehrt sie sofort um. Einige Zeit später sehe ich sie ein zweites Mal. Auf meinen Gruß sagt sie: Das Sammeln von Kastanien ist im Wald verboten! DIE NATUR IST WIE DU Das Äußere schön - das Innere unbekannt. Sie spricht nichts, nur durch wenige Zeichen kann man erraten, was sie will und was sie nicht ertragen kann. Bald ruhig , bald zackig und schroff, bald hilft sie dem Menschen, bald schadet sie ihm, bald erfreut sie ihn, bald ist er ihrer überdrüssig, bald scheint die Sonne, bald ziehen dunkle Gewitterwolken auf. Ich sehe sie gerne an. Udo Schwarz ------- ------------ - - - 20 ----------------------

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