11. Jahresbericht des Bundesgymnasiums Steyr 1983/84

Die Stadt Bemerkungen zur TV-Dokumentation ,,Die Kunst, menschliche Städte zu bauen " Was ist eine Stadt? Laut Lexikon eine „Größere, geschlos- sene Wohnsiedlung." Solch eine Sied lung wird jedoch von Menschen bewohnt , und soll demnach auch einen men- schenwürdigen Eindruck vermitteln und eine menschliche Atmosphäre schaffen. Wo aber findet man das heute noch? In einigen junggeblie- benen-alten Städten, von denen der gezeigte Film einige Beispiele aufführte. Die modernen Architekten kommen da aber nicht mehr mit. Und machtlos steht der „normale" Mensch vor den bereits ans Computerzeitalter und der Technik gewidmeten Zeit erinnernden Häuser- und „Wohn- komplexen " , aus denen „Städte" zusammengesetzt wer- den. Wir fühlen uns zwar alle in sqlcher Umgebung unwohl , all ein und irgendwie eingesperrt , doch keiner findet die Ursache oder ist fähig etwas zu ändern . Nun zeigten diese fünf Städte zwar sehrwoh l Beispiele, wie es besser gemacht werden könnte . In vie len unzähligen Sätzen wurden x-Kleinigkeiten und Regeln zur Schaffung einer „Wunschstadt " angeführt. Das Wesentliche wurde jedoch nicht gesagt: Früher arbeiteten / d. h. bauten die Leute auch noch aus Freude am Schaffen. Heute geht es nur noch um das Ver- dienen. Wer arbeitet heute zum Beispiel mit Liebe und voller Hingabe an einer Türklinke? Diese Kleinigkeiten , wo die Handwerker vergangener Zeiten sicher ihr ganzes Herz hineingaben, machen diese Atmosphäre aus, in der man sich so wohl fühlt. Die andere Seite, das schöne und harmonische Ortsbi ld , liegt sowoh l in den Händen der Leute an der Spitze der Stadt, als auch an den einzelnen Menschen, die bauen. Sie müßten darauf achten, daß sich die Gebäude bedingen und ergänzen, aber keineswegs miteinander konkurrieren und qich verdrängen wollen. Die einzelnen Baumeister hingegen hätten die Aufgabe, sich auch daran zu halten und das Stadtbild nicht durch einen Neubau etwa zu stören. 7. D-Klasse All dies ist aber nicht in diesen riesigen Ausmaßen möglich. Alles muß überschaubar sein. In Kleinstädten ist so etwas viel eher möglich. Größere müßten eben Stadtviertel nach Stadtviertel bearbeiten und ab und zu zusammenkommen um sich zu besprechen. Um auf ein paar wichtige Kleinigkeiten zu kommen , möchte ich den Asphalt erwähnen. Es gibt sicher wenig, das eben- so leblos und düster ist wie er. In Hydra strahlten die Wege mit ihrem weißen, weichen Kalkverputz oder das lebhafte Pflaster, das in Ornamenten gelegt ist, solche freundliche Atmosphäre aus, daß man gleich drei Mal lieber dort spa- ziert oder auch Stufen steigt. Oder all die hübschen Torbö- gen, Holzdecken , die roten Ziegeln, die Bäume , Hecken , Blumen oder kleine Plätze mit einem Brunnen zum Beispiel .. Wohin sind sie gekommen in unseren so komfortablen und modernen Städten? Ist es denn so wichtig , daß wir mit unseren Autos überall hinkommen? Können wir es nicht etwas außerha lb abstellen, und mal öffent liche Verkehrs- mittel benutzen oder gar zu Fuß gehen? Es gibt nie genug Fußgängerzonen . Für die Geschäfte ist es nur von Vorteil , da man beim gemütlichen Bummeln viel eher kauft als im Vorbeirasen . Aber nicht nur Autos verschandeln das Orts- bild. Auch die Fabriken tragen dazu und zur Umweltver- schmutzung bei. Ein guter Grundsatz ist, nicht dem Größenwahn zu verfal- len; in jeder Hinsicht. Das bringt nur schlechte Folgen. Die heutigen Architekten dürfen in ihrem „ 20.-Jahrhundert- Denken" nicht vergessen , daß gerade die liebevoll ausge- führten Kleinigkeiten einer Stadt, auch wenn es nur ein farbig umrandetes Fenster, die altbewährten Fensterspros- sen , schattige Arkaden oder die Cafes auf die Straße hinaus, den Reiz eines Ortes ausmachen . Würden sie sich mehr auf das Wesentliche beschränken, aber das mit Herz machen, könnten die Menschen vie l freier atmen und „ Herz" zeigen. Karin Margetich 88 ---------------------

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